Beschluss:

Der Anregung der Bürgerstiftung zur Verlegung der Stolpersteine wird in der vorgelegten Form zugestimmt.


Frau Mollenhauer erklärt, dass die CDU-Fraktion nach wie vor der Verlegung von Stolpersteinen nicht zustimme, wenn sich nicht alle betroffenen Eigentümer dafür aussprechen, auch vor dem Hintergrund, dass in Billerbeck bereits viel Gedenkkultur betrieben werde. Im Übrigen sei es durchaus nicht ungewöhnlich, dass das Thema in anderen und tlw. auch größeren Städten sehr kontrovers diskutiert wird.

 

Herr Schlieker beantragt, einem Vertreter der Bürgerstiftung Rederecht zu erteilen.

Dem Antrag wird einstimmig zugestimmt.

 

Herr Geuking merkt an, dass über das Rederecht nicht abgestimmt werden müsse, weil es doch sowieso gelte.

Das wird von Frau Dirks verneint mit dem Hinweis, dass eine Anregung nur bei der ersten Beratung im Rat von dem Petenten erläutert werden dürfe.

 

Herr Geuking macht deutlich, dass die Verlegung der Stolpersteine nicht von den Befindlichkeiten einzelner Personen abhängig gemacht werden dürfe. Eine solche Entscheidung müsse von der Mehrheit getragen werden, da sie von öffentlichem Interesse ist. Er appelliere an die CDU, sich zumindest der Stimme zu enthalten und das Vorhaben nicht zu blockieren.

 

Frau Köhler gibt im Namen der SPD-Fraktion folgende Stellungnahme ab:

„Uns ist bewusst, dass es bei der Gedenkinitiative „Stolpersteine“ durchaus kontroverse Diskussionen gab und es sich um ein emotionales Thema handelt. Auch wir haben in unserer Fraktion umfassend diskutiert. Dennoch befürworten wir, auch unter Würdigung der Vorträge der betroffenen Hauseigentümer, ausdrücklich die Verlegung aller Stolpersteine in Billerbeck. Insbesondere durch die Wolfgang-Suwelack-Stiftung und die Geschwister-Eichenwald-Gemeinschaftsschule wird in Billerbeck wertvolle Aufarbeitung von Erinnerungslücken und Gedenkarbeit geleistet und das schon seit Jahren. Hierzu sehen wir die Stolpersteine als eine wichtige und sinnvolle Ergänzung, um Geschichte transparent erlebbar zu machen und die Erinnerung an diese Zeit zu bewahren. Es darf nicht vergessen werden: nicht nur Juden, sondern unter anderem auch Homosexuelle, Sinti und Roma, Zeugen Jehovas, Behinderte und politisch Oppositionelle standen auf den Listen des NS-Regimes und wurden gnadenlos verfolgt, in Konzentrationslager gebracht und dort auf unmenschliche Art getötet. Unser Verstand ist nicht in der Lage, sich die riesige Zahl der menschlichen Opfer vorzustellen.

Die Stolpersteine aber eröffnen den Menschen den Zugang zu Einzelschicksalen. Sie sind zugleich auch Gedenksteine für alle anderen genannten Opfergruppen. So wollen wir, die SPD, es auch in Billerbeck.

Wenn, dann soll die Billerbecker Geschichte ganzheitlich erzählt werden. Kein Mensch soll vergessen werden. Im Buch „Zersplitterte Sterne“ werden viele Einzelschicksale geschildert. Wenn die Menschen sich nach der Lektüre auf den Weg durch die Stadt machen und die Stolpersteine suchen, wie soll man ihnen erklären, warum es für einige Menschen keine gibt?

Die Stolpersteine haben sich deutschlandweit zu einer Gedenkkultur entwickelt. Auch in unserer näheren Umgebung, wie Havixbeck, Dülmen, Nottuln und Rosendahl, sind sie zu finden. Sie haben hohen Wiedererkennungswert und zeigen auch dem Nicht-Ortsansässigen, dass sich die Stadt mit ihrer Vergangenheit beschäftigt hat und ein Zeichen setzen will. Wir möchten dieses Zeichen setzen und ein klares Signal gegen Fremdenfeindlichkeit, Vorbehalte gegen Andersartigkeit und Rassismus setzen.“

 

Frau Rawe erklärt, dass die Grünen sich für die Verlegung der Stolpersteine vor allen Häusern aussprechen, in denen Menschen ihren letzten Wohnsitz hatten und dann vertrieben oder getötet wurden. In Billerbeck gebe es zwar bereits eine gute Gedenkkultur; aber mit dem Projekt Stolpersteine werde der Menschen gedacht, die fliehen mussten und das gebe es bisher noch nicht in der Stadt. Am 9. November werde der Menschen, gedacht, die ermordet wurden, aber es gebe noch mehr Menschen, die unter der Diktatur leiden mussten. Es gehe nicht um Vorbehalte einzelner Personen, sondern hier müsse der Rat eine politische Entscheidung treffen, ob die Stolpersteine als Gedenken an vertriebene oder gestorbene Menschen verlegt werden oder nicht. Für die Grünen könne es keine Ausnahme geben. Es gehe auch nicht darum, mit der Verlegung von Stolpersteinen irgendjemandem Schuld zuzuweisen. Das sei auch nicht der Ansatz des Künstlers. Es gehe vor allem um die Erinnerung an die Opfer.

 

Herr Idelmann vom Vorstand der Bürgerstiftung legt dar, dass die Bürgerstiftung u. a. ehrenamtliches Engagement in Billerbeck fördere. Es sei Neuland für die Bürgerstiftung, sich in einen politischen Prozess einzubringen. Sie hätten als unabhängige und parteilose Einrichtung den Antrag zur Verlegung der Stolpersteine gestellt, weil er aus der Bürgerschaft komme. Sie hätten die klare Entscheidung getroffen, dass die Stolpersteine nur verlegt werden, wenn sie vor allen betroffenen Häusern verlegt werden dürften. Der Bürgerstiftung schwebe vor, das im Rahmen eines Schulprojektes weiter recherchiert werde. Er bitte dringend darum, dass jeder für sich nach seinem Gewissen heute entscheiden dürfe.

 

Herr Kösters meint, dass auch die Bedenken der Menschen berücksichtigt werden müssen, die mit dem Projekt nicht einverstanden sind. Gerade weil es verschiedene Vorfälle gegeben habe, könne er die Bedenken teilen. Das Projekt finde er gut, er wolle aber nicht, dass einige Menschen angeprangert werden.

 

Frau Schulze Wierling betont, dass sie das Projekt gut finde. Sie habe aber ein Problem damit, wenn die Menschen, die dagegen sind, übergangen werden. Die Stolpersteine sollten vor den Häusern verlegt werden, deren Eigentümer mit der Initiative einverstanden seien. Es könne ja ein Prozess sein, der sich weiter entwickle. Vielleicht könnten nach den Recherchen der Schule noch mehr Stolpersteine gesetzt werden.

 

Frau Mollenhauer meint, dass dies doch ein guter Kompromiss wäre. Man habe hier ziemlich übereinstimmend beschlossen, dass man die Meinung der betroffenen Eigentümer hören wollte. Auch wenn sich nur zwei gegen das Projekt ausgesprochen hätten, dürfe man deren Meinung nicht übergehen.

 

Wenn vor den Häusern, deren Eigentümer gegen das Projekt seien, keine Stolpersteine verlegt werden, so Frau Rawe, dann werde der Menschen, die dort ihren Wohnsitz hatten, nicht gedacht. Diese Menschen hätten doch auch das Recht, dass an sie erinnert wird.

 

Frau Bosse führt an, dass man doch Opfer übergehe, wenn dem Vorschlag von Frau Schulze Wierling entsprochen würde und vor den Häusern, deren Eigentümer dagegen seien, keine Stolpersteine verlegt würden. Im Übrigen würden die Stolpersteine doch im öffentlichen Raum verlegt.

 

Frau Dirks weist darauf hin, dass es noch andere Formen der Erinnerungskultur gebe. So erinnere z. B. ein Gedenkstein an der Kurzen Straße an die Menschen, die ihre Häuser verlassen mussten. Sie persönlich habe ein großes Problem mit dem Projekt Stolpersteine, weil es sich um ein Projekt handele, das von außen komme und nicht aus der Gesellschaft der Stadt Billerbeck heraus entwickelt wurde.

 

Herr Schlieker stellt fest, dass die Diskussion hoch emotional sei, weil im Hintergrund immer Schuld mitwabere. Es sei beschämend, wenn es fast 80 Jahre nach dem 2. Weltkrieg immer noch nicht möglich ist, der Opfer zu gedenken.

 

Herr Geuking macht deutlich, dass er ebenfalls bestürzt sei und erinnert an die Diskussion um die Umbenennung der Karl-Wagenfeld-Straße. Er wisse nicht, warum man sich mit der Vergangenheit hier so schwer tue. Stolpersteine seien bundesweit für alle Opfer des Nationalsozialismus verlegt worden. Die Interessen von zwei Eigentümern dürften doch nicht über das Interesse der Stadt gestellt werden.

Er appelliere noch einmal an die CDU, sich wenigstens der Stimme zu enthalten. Ansonsten wäre es ein fatales Signal für die Bevölkerung, gerade in der heutigen Zeit.

 

Herr Flüchter weist darauf hin, dass das Gespräch mit den Eigentümern Verständnis für das Projekt wecken sollte. Es sei nicht darum gegangen, 100% Konsens zu erzielen. Sicherlich wäre es schön gewesen, wenn alle zugestimmt hätten. Aber die breite Masse habe zugestimmt und das reiche ihm, um dem Projekt zuzustimmen.

 

Herr Idelmann macht deutlich, dass es für die Bürgerstiftung kein Kompromiss wäre, die Stolpersteine nur vor den Häusern zu verlegen, deren Eigentümer hiermit einverstanden seien. Sie seien der Meinung ganz oder gar nicht. Es wäre  beschämend und eine Farce, wenn einige Häuser ausgenommen würden.  

 

Frau Bosse hält es für wichtig, gerade in der heutigen Zeit mit rechtspopulistischen Tendenzen, ein Zeichen zu setzen. Außerdem weise sie auf das Besondere der Stolpersteine hin. Natürlich gebe es viel Gedenkkultur in Billerbeck, aber die Menschen müssten sich hiermit auch beschäftigen. Und über die Stolpersteine würden die Menschen stolpern und sagen, das kenne ich. An dem Mahnmal Kurze Straße gehe man meistens achtlos vorbei.

 

Herr Schulze Temming stellt fest, dass es schade wäre, wenn das Projekt nicht zum Tragen komme. Mit der Verlegung von Stolpersteinen vor den Häusern, deren Eigentümer einverstanden seien, könnte doch begonnen werden. Im Laufe der Zeit könnten weitere Gedenksteine hinzukommen. Die Bürgerstiftung sollte noch einmal darüber nachdenken, ob das nicht die bessere Lösung wäre als wenn das Projekt gar nicht umgesetzt werde.

 

Frau Köhler hält der CDU vor, dass sie es doch in der Hand habe, ob das Projekt umgesetzt werde oder nicht. In dem Buch „Zersplitterte Sterne“ würden alle Namen genannt, auch die, die die Stolpersteine im Moment nicht haben wollen. Es werde noch so weit kommen, dass sich Menschen fragten, warum vor einigen Häusern keine Stolpersteine liegen. Dann kämen die Eigentümer doch noch viel mehr in Erklärungsnot und die Spekulationen würden noch schlimmer. Sicherlich gebe es eine große Gedenkkultur für die Juden, aber es gebe darüber hinaus noch andere Opfergruppen. Sie hoffe, dass über die Recherchen der Schule noch mehr Menschen, ein Gedenken gegeben werden könne.

 

Nach weiterer Erörterung stellt Herr Brockamp den Antrag auf Abstimmung.

 

Herr Brall sieht ein großes Problem auf die Stadt zukommen, wenn das Projekt abgelehnt wird.

 

Frau Dirks lässt über den Antrag auf Abstimmung abstimmen.

Der Antrag wird mit 12 Ja-Stimmen, 9 Nein-Stimmen, 3 Enthaltungen angenommen.

 

Dann stellt Frau Dirks den Beschlussvorschlag des Ausschusses für Generationen und Kultur zur Abstimmung.


Stimmabgabe: 10 Ja-Stimmen, 14 Nein-Stimmen