Zu diesem Tagesordnungspunkt ist Herr Rechtsanwalt Tyczewski anwesend. Seine Ausführungen sind dieser Niederschrift als Anlage 1 beigefügt.

 

Herr Dittrich greift die Aussage des Rechtsanwaltes auf, dass die Lage eines Hähnchenmaststalles im Landschaftsschutzgebiet ein öffentlicher Belang sein könnte und weist darauf hin, dass dies bei der Mehrzahl der Ställe der Fall sei. 8 Anlagen lägen im Landschaftsschutzgebiet. Ihm wäre es wichtig, mehr zu den öffentlichen Belangen zu hören.

 

Herr Tyczewski führt aus, dass die öffentlichen Belange auf jeden Fall zu prüfen seien und es durchaus Einzelfälle gebe, in denen es öffentliche Belange gebe, die zwingend zur Versagung führen müssten. Hähnchenmastställe gehörten nicht in ein Landschaftsschutzgebiet, wenn ein solcher Fall vorliege, müsse das Einvernehmen versagt werden.

Schädliche Umwelteinwirkungen seien ein anderer Punkt. Hierbei handele es sich in erster Linie um Gerüche. Ein Gutachter beurteile nach bestimmten technischen Richtlinien, ob es stinke oder nicht. Die Hähnchenmastställe würden nach der inzwischen überarbeiteten Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) gemessen. Mit der Überarbeitung seien die Kriterien für diese Tierart verschärft worden. Außerdem stellt die neue GIRL nunmehr auch auf Qualität ab und nicht mehr nur auf Quantität.

 

Frau Mollenhauer wirft ein, dass hier von dem gemeindlichen Einvernehmen die Rede sei. In dem Genehmigungsverfahren seien eine Vielzahl anderer Behörden beteiligt. Die von Herrn Tyczewski angesprochenen Belange seien nicht hier vor Ort zu prüfen.

 

Dem hält Herr Tyczewski entgegen, dass es eine neue Entscheidung von August 2008 gebe, wonach die Gemeinden ihre Entscheidung komplett nach dem § 35 BauGB auszurichten haben. Hierin seien Punkte aufgeführt, die die Gemeinde mit ihrem Sachverstand nicht beurteilen könne und sich schlau machen müsse und danach entscheide.

 

Frau Mollenhauer erkundigt sich, welchen Einwand die Gemeinde im Rahmen des § 36 BauGB geltend machen könne, wenn alle Fachbehörden dem Antrag zustimmen.

 

Wenn von den Fachbehörden die Auffassung vertreten werde, dass lt. Gutachten der Hähnchenmaststall zumutbar ist, könne man nur die einzelnen Belange durchgehen und wenn am Ende nichts übrig bleibe, müsse die Gemeinde das Vorhaben „abnicken“, so Herr Tyczewski.

 

Herr Flüchter bezieht sich auf die Aussage des Rechtsanwaltes, dass es risikoreich wäre, wenn man den § 36 BauGB als Grundlage für eine Klage nutze. Wenn aber doch festgestellt werde, dass die Belange des Natur- und Landschaftsschutzes betroffen sind, gebe es doch einen Grund Klage einzureichen.

 

Herr Tyczewski bestätigt, dass eine Lage an exponierter Stelle die Eigenart der Landschaft beeinträchtigen kann.

 

Frau Dirks fragt nach, ob es richtig sei, dass wenn das gemeindliche Einvernehmen ersetzt wird und der Klageweg beschritten würde, die Gemeinde nicht schadensersatzpflichtig wird.

 

Er habe damit sagen wollen, so Herr Tyczewski, dass alle Belange durchgeprüft werden müssten und wenn die Gemeinde dann zu dem Ergebnis komme, dass ein Belang verletzt wird, dann müsse das Einvernehmen versagt werden.

 

Herr Becks führt an, dass gesagt werde, man müsse jeden Einzelfall betrachten. In Billerbeck gebe es aber eine massive Anzahl von Anträgen, die sich auf die gesamte Stadt auswirken. Er fragt nach, ob es diesbezüglich einen Ansatzpunkt gebe.

 

Den sehe er nicht, das gebe der § 35 BauGB nicht her, so Herr Tyczewski. Bei mehreren Anträgen könne eine Splittersiedlung im Außenbereich entstehen, diese könne abgelehnt werden.

 

Herr Flüchter erkundigt sich, ob eine Klageeinreichung aufschiebende Wirkung hätte.

 

Herr Tyczewski erläutert, dass der Antragsteller seinen Stall bauen könnte, es gebe aber einen Rechtschutz für die Kommune, ähnlich einer einstweiligen Verfügung.

 

Frau Schulze Wierling fragt nach, ob die Gemeinde ihre Auffassung, dass ein Stall an einer bestimmten Stelle  nicht hinpasse, begründen müsse oder ob das Empfinden der Stadtplaner ausreiche.

 

Herr Tyczewski merkt an, dass eine Aussage wie „der passt da nicht hin“, für das Gericht zu wenig sei. In § 35 BauGB seien Belange aufgelistet, hiervon müsse mindestens ein Belang betroffen sein. Die Gemeinde müsse darauf ihre Begründung aufbauen.

 

Sie wolle wissen, so Frau Schulze Wierling, ob es Richtlinien hierfür gebe.

Herr Tyczewski antwortet, dass es nur das Gesetz gebe, das angewendet werden müsse.

 

Herrn Flüchter irritiert, dass im Rahmen der UVP der Antragsteller nur hofeigene Flächen anbieten müsse und nicht auch Flächen bei denen der Antragsteller nicht Eigentümer der Flächen ist, welche aber um den Hof herum  liegen. Die Bezirksregierung vertrete die Auffassung, dass der Landwirt nur auf eigene Flächen zurückgreifen könne.

 

Hier müsse man trennen, so Herr Tyczewski, rechtlich gebe es einen großen Unterschied zwischen Gewerbebetrieben und landwirtschaftlichen Betrieben. Seines Wissens gebe es keine Rechtsgrundlage, jemanden aufzufordern an einer bestimmten Stelle zu bauen.

 

Herr Dittrich erkundigt sich ob es Präzedenzfälle gebe, wo Gemeinden gegen das Ersetzen des Einvernehmens geklagt haben.

 

Herr Tyczewski weist darauf hin, dass es beim Ersetzen des gemeindlichen Einvernehmens eine Sonderproblematik gebe, die auch in Steinfurt eine Rolle gespielt habe, und zwar gehe es um die Frage, wer überhaupt das gemeindliche Einvernehmen ersetzen kann. Früher sei das anders geregelt gewesen. Heute stehe im Bürokratieabbaugesetz, dass die Obere Baubehörde das Einvernehmen ersetzen kann. In Steinfurt sei das Verfahren bei der Bezirksregierung in Münster geführt worden, mittlerweile sei es beim Kreis gelandet. Dann habe die Bezirksregierung das Einvernehmen ersetzt. Nach dem Hinweis, dass die Bezirksregierung nicht zuständig sei,  sondern die Obere Bauaufsichtsbehörde des Kreises Steinfurt habe die Bezirksregierung das Innenministerium angeschrieben und um Klärung gebeten. Daraufhin sei eine große Unsicherheit entstanden. Jetzt sei beabsichtigt, in einem weiteren Gesetz für Klarstellung zu sorgen. Nach seiner Meinung habe die Kommune mit der Frage nach der Zuständigkeit ein gutes Argumentationsmittel in der Hand, und zwar völlig losgelöst von Hähnchenmastställen. Er könne den Kommunen guten Gewissens empfehlen, diesen Weg zu gehen. Der andere Ansatzpunkt sei die Frage, ob die Anlagen überhaupt privilegiert sind.

 

Herr Ueding erkundigt sich, wie lange man Zeit habe, um die Privilegierung zu prüfen.

 

Er wisse, so Herr Tyczewski, dass nicht nur beim Bundesverwaltungsgericht, sondern auch beim Verwaltungsgericht überlegt werde, ob Geflügelmastställe wegen der Massivität in den Außenbereich sollen.

 

Herr Nowak kommt auf die Äußerung des Rechtsanwaltes zurück, dass die Gemeinde ihr Einvernehmen versagen müsse, wenn ein Belang betroffen ist. Er fragt nach, wie sich die Situation denn darstelle, wenn tatsächlich ein Belang betroffen ist, die Gemeinde ihr Einvernehmen versagen müsse, dies aber nicht tue. Er z. B. könne an jeder Stelle Billerbecks betroffen sein, egal wie weit der Stall entfernt ist. Er fragt nach, ob er auch Schadenersatz fordern könne oder wer diese Forderung geltend machen könne.

 

Herr Tyczewski legt dar, dass der § 36 BauGB die kommunale Planungshoheit schütze und nicht den einzelnen betroffenen Anlieger einer Gemeinde. D. h. nicht, dass er keine Schadensersatzansprüche hätte, diese seien im BGB z. B. zum Recht der unerlaubten Handlung dargelegt. Wenn ein Bürger Ansprüche geltend mache, dann sei er nachweispflichtig, das sei aber eine Konstellation Bürger gegen Vorhabenträger.

 

Herr Nowak fragt nach, welche Institution denn Schadenersatzansprüche geltend machen könnte.

 

Ihm falle keine Institution ein, die einen Schaden erleiden könnte, so Herr Tyczewski. § 36 BauGB sei eine spezielle Vorschrift, die die Kommunen schützen soll und nicht die einzelnen Bürger.

 

Herr Flüchter betont, dass die Standortfrage die eine Sache sei, aber die Immissionen die andere. Er fragt an, wie darauf eingewirkt werden könne, dass diese minimiert werden. In Niedersachsen würden die Ställe mit Filteranlagen ausgerüstet, in NRW können Ställe völlig frei von solchen Vorschriften errichtet werden. Er fragt nach, wo und wie Einfluss genommen werden kann, damit die Genehmigungsbehörden entsprechende Auflagen erteilen.

 

Herr Tyczewski verweist auf unterschiedliche Rechenprogramme in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Das in Niedersachsen angewandte Rechenprogramm sei strenger als das in NRW vom Landesumweltamt zugelassene. Die Gerichte ließen aber das NRW-Rechenprogramm zu.

 

Frau Schlieker fragt an, welche Gründe gegen die eingangs angesprochene Ausweisung von Sondergebieten sprechen.

 

Herr Tyczewski erläutert, dass für alles eine städtebauliche Begründung gefunden werden müsse. Er habe große Probleme eine Begründung zu finden, wenn über Flächen Billerbecks ein Sondergebiet landwirtschaftliche Fläche gelegt würde. Dies könnte auch als Verhinderungsplanung ausgelegt werden. Solche Bebauungspläne würden von der Rechtsprechung als unwirksam erklärt.

 

Herr Dittrich schildert, dass er von einer großen Anlage wisse, für die die Genehmigung erteilt worden sei, obwohl zum Zeitpunkt der Planung wesentliche Unterlagen, wie z. B. der Nachweis der Statik oder Angaben zum Immissionsschutz fehlten. Das könne niemand nachvollziehen. Es entstünde der Eindruck, als ob das „durchgeprescht“ werde, nur um vollendete Tatsachen zu haben.

 

Herr Tyczewski hält das für unzulässig. Einzelne Unterlagen, wie die Statik, könnten zwar nachgeliefert werden, im Prinzip müsse der Antrag aber vollständig vorgelegt werden.

 

Von Herrn Dittrich nach den Folgen befragt, wenn dies trotzdem passiere, führt Herr Tyczewski aus, dass dann die Genehmigung rechtswidrig wäre.

 

Herr Dittrich erklärt, dass in diesem Fall das gemeindliche Einvernehmen unter Darlegung der betroffenen Belange versagt wurde, die Bezirksregierung angekündigt habe, sich hierüber hinweg zu setzen und man dann das Einvernehmen erteilt habe.

 

Herr Tyczewski weist darauf hin, dass es die Rügemöglichkeit gebe. Wenn gerügt werde, laufe die 2-Monats-Frist nicht, in der das Einvernehmen erteilt oder versagt werden müsse. Auf diesen Punkt sollten die Kommunen mehr setzen, weil es sie nicht sofort zum Nein zwinge.

 

Frau Besecke führt an, dass eigentlich bei allen Anlagen Unterlagen  nachgefordert werden. Sie sei nach der bisherigen Rechtslage davon ausgegangen, dass Unterlagen nur zu städtebaulich relevanten Punkten nachgereicht werden können. Dies dürfte dann aufgrund des angeführten Urteils hinfällig sein.

 

Herr Tyczewski bekräftigt, dass alle Unterlagen nachgefordert werden könnten, die mit dem § 35 BauGB zu tun haben. Die Kommune müsse prüfen, ob die Unterlagen vollständig sind, so dass sie in die Lage versetzt wird, nach § 35 BauGB zu entscheiden.

 

Herr Flüchter merkt an, dass im Flächennutzungsplan aufgezählt werde, welche Darstellungstypen es gibt und fragt nach, ob die Möglichkeit bestehe, neue zu kreieren, um die Messlatte etwas höher zu legen. 

 

Herr Tyczewski weist darauf hin, dass die Liste abschließend sei.

 

Frau Mollenhauer bezieht sich auf das neue Urteil von August 2008, wonach die Kommunen im Rahmen des gemeindlichen Einvernehmens nach § 35 Abs. 3 prüfen müssen, ob dem Vorhaben öffentliche Belange entgegen stehen. Sie fragt nach, ob dies neu sei.

 

Das sei immer so gewesen, so Herr Tyczewski, nur sei in der Praxis anders verfahren worden. Wenn z. B. immissionsschutzrechtliche Belange betroffen waren, hätten sich die Kommunen auf das StUA verlassen und wenn dort keine Probleme gesehen wurden, sei das Einvernehmen erteilt worden ohne selber zu prüfen.

 

Das würde bedeuten, so Frau Mollenhauer, dass das Argument der Beeinträchtigung der Eigenart des Landschaftsbildes  vorgebracht werden könne.

 

Das bestätigt Herr Tyczewski. Er wolle aber im Hinblick auf Schadenersatzansprüche keine Angst machen. Wenn die Gemeinde Probleme gesehen und sich schlau gemacht habe und dann zu einer Entscheidung gelangt sei, müsse sie vor Schadenersatzansprüchen keine Angst haben. Hierfür gelte immer das Verschuldungsprinzip.

 

Herr Mollenhauer beruft sich auf die Aussage des Rechtsanwaltes, dass die Lage im Landschaftsschutzgebiet einem Vorhaben entgegen stehe und fragt nach, was passiere, wenn aus diesem Grund das Einvernehmen versagt werde und der Kreis Coesfeld als untere Landschaftsbehörde zu einem anderen Ergebnis komme und der Landschaftsbeirat eine Ausnahme zulasse.

 

Das ändere im Prinzip nichts, so Herr Tyczewski. Vom Grundsatz her sei das aber ein Belang, den die Gemeinde in Abstimmung mit der unteren Landschaftsbehörde prüfen sollte.

 

Von Herrn Flüchter nach den mit einer Klage verbundenen Kosten befragt weist Herr Tyczewski darauf hin, dass diese von der Ausgangskonstellation abhingen. Der Streitwert dürfte bei ca. 30.000,-- € liegen.

 

Frau Besecke wirft ein, dass sich bei der Rechtsprechung zur  Windenergie gezeigt habe, dass der Belang der Beeinträchtigung des Landschaftsbildes ein schwer zu bewertender ist.

Das könne er nur bestätigen, so Herr Tyczewski. Die Rechtsprechung zur Windenergie sei sehr zurückhaltend. Nur wenige Anlagen seien als verunstaltend bewertet worden. Deshalb sei die Diskussion wichtig, ob es sich überhaupt um eine privilegierte Anlage handele. An dieser Weichenstellung werde es sich entscheiden. Solange diese Frage bejaht werde, müsse man für die Verweigerung gute Gründe haben. Wenn keine Privilegierung vorliegt, sei von einem auf den anderen Tag Schluss mit der Ansiedelung im Außenbereich.

 

Herr Schulze Esking stellt voran, dass es doch die subjektive Einschätzung jedes Einzelnen sei, ob die Anlagen in die Landschaft passen oder nicht. Es müsse doch Vorgaben geben, die zur Beurteilung herangezogen werden können.

 

Es gebe Vorgaben aus Gerichtsentscheidungen, die die Vorschrift angewandt haben, so Herr Tyczewski. Bei den Windenergieanlagen habe die Rechtsprechung diese sehr zurückhaltende Leitlinie entwickelt.

 

Herr Nowak wirft die Frage auf, ob die Ausweisung Billerbecks als staatl. anerkannter Erholungsort von Bedeutung ist, immerhin sei Billerbeck touristisch stark erschlossen und es werde jedes Jahr in diesen Bereich investiert. Er fragt nach, ob das relativ oder absolut zu sehen sei.

 

Das sei relativ zu sehen, so Herr Tyczewski, aber auch eine Kommune wie Billerbeck müsse natürlich den privilegierten Anlagen Raum geben. Wenn es sich hierbei um das einzige Argument handele, würde er ein Prozessrisiko sehen.

 

Frau Dirks fragt nach, ob es richtig sei, dass das Risiko für Schadenersatz minimiert wäre, wenn die Gemeinde sich Gedanken gemacht und die Bedenken nachvollziehbar begründet habe.

 

Herr Tyczewski erläutert, dass die Gemeinde zunächst entscheiden müsse, ob sie das Einvernehmen erteile oder nicht. Werde das Einvernehmen nicht erteilt, müsse der Kreis prüfen, ob die Gemeinde zu Recht versagt habe oder nicht. Wenn der Kreis die Auffassung vertrete, dass die Gemeinde das Einvernehmen zu Recht versagt habe, könne der Vorhabenträger auf Genehmigung klagen. Beim Ersetzen des Einvernehmens durch den Kreis bestehe für die Stadt überhaupt kein Prozessrisiko.

 

Herr Dittrich unterstreicht, dass in Sachen Hähnchenmastställe „der Baum brennt“. Es gehe nicht nur um Belange des Landschaftsschutzes, sondern auch um gesundheitliche Belange. Ein großer Teil der Bevölkerung habe u. a. am Wochenende am Stand der Bürgerinitiative ihre Ablehnung deutlich gemacht. Er sei froh, dass es sehr wohl Möglichkeiten gibt, hiergegen vorzugehen und die Kommunen sogar verpflichtet sind, die Belange zu prüfen. Er regt an, künftig in solchen wichtigen Angelegenheiten von Anfang an juristischen Rat einzuholen.

 

 

 

Da Herr Dübbelde jetzt anwesend ist, übernimmt er den Vorsitz von Herrn Wiesmann.