Frau Dirks gibt allen Anregern nacheinander die Möglichkeit, ihre Eingabe zu erläutern.

 

 

Frau Petra Nachbar begründet und erläutert insgesamt die Anregung, das gemeindliche Einvernehmen gem. § 36 BauGB zur geplanten Legehennenanlage im Bereich des Klosters Gerleve (Investor Lürwer) zu versagen. Es sei nicht richtig, dass die Stadt das gemeindliche Einvernehmen nur versagen könne, wenn es um die Erschließung oder planungsrechtliche Belange gehe. Es gebe zwei neue Urteile des Bundesverwaltungsgerichtes, wonach sämtliche Belange nach § 35 BauGB der Überprüfungspflicht der Gemeinde unterlägen. Damit habe die Gemeinde die gleichen Entscheidungskompetenzen wie der Kreis Coesfeld. Und das Versagen des Einvernehmens könne insbesondere mit entgegenstehenden Belangen des Naturschutzes, der Landschaftspflege insbesondere durch Überschreiten der kritischen Grenze von 2 GV/ha sowie des Immissionsschutzes begründet werden. Des Weiteren verweist sie auf schädliche Umwelteinwirkungen, multiresistente Keime und die Antibiotikabelastung der Tiere. Im Hinblick auf den vorsorgenden Gesundheitsschutz stelle sie die Frage, auf welcher Datengrundlage das gemeindliche Einvernehmen erteilt werde.

 

Herr Hans-Peter Ammann ergänzt die Ausführungen von Frau Nachbar mit dem Hinweis auf die überhöhte Viehdichte und Mischpopulation bei den Tieren. Es lebten sehr viele Wirtstiere auf engem Raum. Die auftretenden viralen Verbindungen könnten für Menschen gefährlich werden und seien auch schon gefährlich geworden. Das sei in einer amerikanischen Studie nachzulesen. Problematisch sei, dass die Bakterien in der Lage seien, Antibiotika zu zerstören, die bei Menschen eingesetzt würden. Die Massierung der Tierhaltung leiste den Infektionen in Krankenhäusern massiven Vorschub. Sein Wohnhaus in Westhellen werde zunehmend von den Stallbauten umzingelt und verliere deutlich an Wert. Von privater Seite werde Profit auf Kosten anderer generiert.

 

Frau Anne Stippel erklärt, dass ihr das Wohlergehen von Tieren und Menschen am Herzen liege. Bei der geplanten Legehennenanlage gebe es keine natürlichen Lebensbedingungen für die Tiere. Die Stadt wolle Touristen anlocken, aber wer wolle denn hier Urlaub machen, wenn man immer wieder auf die entsetzlichen Hallen schauen müsse.

 

Frau Anne-Monika Spallek vertritt die in einem Radius von 1000 m um den geplanten Stall liegenden direkt betroffenen Nachbarn. Diese Nachbarn seien sehr beunruhigt bzgl. der geplanten Verdoppelung der Ställe. Für sie bedeute das auch eine Verdoppelung von Gestank, Keimen und LKW-Verkehr. Das habe mit einem Bauernhof nichts mehr zu tun. Die Ställe verursachten eine Wertminderung ihres Grundbesitzes und eine Reduzierung der Lebensqualität und das in einem Landschaftsschutzgebiet. Sie könnten nicht verstehen, dass eine direkt am Honigbach liegende Fläche als Freigehege für die Tiere genutzt werden soll. Ebenso könnten sie nicht nachvollziehen, dass für die in Volieren lebenden Tiere die Tage künstlich verkürzt werden, nur damit sie mehr Eier legten. Die Nachbarn hätten begründete Angst vor einer zu hohen Belastung der Luft, des Wassers und des Bodens. Die Besiedelung in Gerleve sei relativ dicht. In einem Radius von 1000 m wohnten 12 Familien. Hinzu komme noch das Kloster mit seinen vielen Gästen. Der Legehennenbetrieb sei nicht unbedingt ein gutes Aushängeschild für Billerbeck. Derzeit müssten 5, bald 7 Kinder an der direkt an dem Legehennenbetrieb liegenden Schulbushaltestelle täglich ein- und aussteigen. Einer Studie zufolge sei eine erhöhte Keimbelastung erwiesen. Die Anwohner hätten Angst um die Gesundheit ihrer Kinder. Sie könnten kein unbelastetes Gemüse mehr anbauen. Des Weiteren hätten sie Angst um die Reinheit des Grundwassers. Die Nitratwerte lägen schon heute bedrohlich hoch. Auf ihre Anfrage hin, warum das so genehmigt werden könne, habe ihr der Landrat schriftlich geantwortet, dass das Honigbachtal schon etwas Besonderes sei. Um aber trotz des Bauverbots ansässigen Betrieben eine Perspektive bieten zu können, sei in Abstimmung mit den landwirtschaftlichen Vertretungen und der Stadt eine Regelung gefunden worden, die abgewogene Lösungen ermöglichen soll. Diese sähen vor, dass Erweiterungen in Hofnähe und einmalige angemessene Erweiterungen ggf. zugelassen werden sollen. Diese Regelung treffe hier aber nicht zu, da der Betrieb bereits vor 2 Jahren erweitert habe. Also könne die Stadt doch nicht zustimmen.

 

Herr Dietrich Ross geht auf den Landschaftsschutz ein. Wenn die Planung realisiert werden sollte, gäbe es eine agroindustrielle Großanlage im Honigbachtal, die wie ein Klotz in der Landschaft wirke und die ein Skandal für alle Menschen, die die Schönheit dieser Landschaft genießen wollen sei. Eine solche Anlage gehöre eigentlich in ein Gewerbegebiet. Schon jetzt liege der vorhandene Stall in der Sichtachse des Klosters und stelle eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes dar. Das Honigbachgebiet sei zur Tabuzone erklärt worden. Der Landschaftsbeirat habe in einem sehr fragwürdigen Verfahren empfohlen, eine Befreiung vom Bauverbot auszusprechen. Die untere Landschaftsbehörde werde dem auch entsprechen, sobald das Genehmigungsverfahren in Gang komme. Falls es zu einer Versagung des gemeindlichen Einvernehmens kommen sollte, könnte dieses durch den Kreis ersetzt werden, wie damals bei dem Stall in Aulendorf. Allerdings gebe es ein neues Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom Herbst 2011, in dem das strikte Bauverbot im Landschaftsschutzgebiet bekräftigt wurde. Dieses Urteil würde die Chance für einen Erfolg einer evtl. Klage verbessern. Er wolle den Rat auffordern, das gemeindliche Einvernehmen zu versagen, um damit ein politisches Zeichen zu setzen und zu zeigen, dass die Mehrheit des Rates auf der Seite der Bürger stehe, die sich ernste Sorgen um die Schönheit der Landschaft, der Gesundheit der Bürger und der Reinhaltung von Boden, Luft und Wasser machten.

 

Frau Schlingschröder äußert als Mutter ihre Bedenken zur Infrastruktur. Sie sei beunruhigt über die Verkehrssicherheit des Schulweges. Die Bushaltestelle befinde sich unmittelbar an dem Betrieb. Die Beschaffenheit der Straße sei schon heute für den allgemeinen Verkehr grenzwertig. Sie sehe ein Gefahrenpotential bei Begegnungsverkehr. Alle 4 Straßen, die zum Betrieb des Antragstellers führen, beträfen den Schulweg der Kinder. Es sei sehr beunruhigend, wenn ganztägig 40-Tonner den Schulweg der Kinder kreuzen. Sie befürchte, dass bei einer Genehmigung der geplanten Erweiterung ein Präzedenzfall geschaffen werde, der anderen Bauvorhaben im Außenbereich Türen öffne, die sich nicht mehr schließen lassen.

 

Frau Elisabeth Krechting  erklärt, dass sie als direkte Nachbarin höchst besorgt um die Werterhaltung des Standortes Gerleve sei. Diese Örtlichkeit sei nicht geeignet für eine erneute Erweiterung, weil sie im Landschaftsschutzgebiet liege. Die mit einem Gefälle zum Honigbach gelegene Feuchtwiese dürfe nicht als Freigehege genutzt werden. Der Zustand des Honigbachs sei jetzt schon alarmierend. Die Infrastruktur gebe eine Erweiterung auch nicht her, zumal es sich um Schulwege handele. Außerdem würden die Wege von Klosterbesuchern als Rundweg genutzt. Das Orts- und Landschaftsbild sei bereits durch die vorhandenen großen Solarflächen verunstaltet und die Sichtachsen durch die großen Bauten versperrt. Hinzu komme die Geruchsbelästigung und die Lärmbelästigung durch 80.000 Hühner. Außerdem gehe es bei der Erweiterung nicht um eine existentielle Notwendigkeit. Rein rechtlich hätte schon die erste Erweiterung nicht genehmigt werden dürfen. Das angesprochene Urteil mache das sehr deutlich. Sie frage sich, wo Billerbeck als staatl. anerkannter Erholungsort hin wolle und ob die Ratsmitglieder die geplante Erweiterung wirklich mit voller Verantwortung unterstützen wollen. Das einzige was man benötige, sei ein vernünftiger Menschenverstand.

 

Frau Ponzel-Mühlenkamp fordert die Ratsmitglieder auf, sich ihrer Verantwortung zum Wohle aller bewusst zu werden.

 

Frau Dirks bedankt sich für die Anregungen und führt zur Klarstellung aus, dass der Kreis Genehmigungsbehörde sei und die Stadt nur einen eingeschränkten Prüfungsauftrag habe. Frau Nachbar habe auf ein Urteil verwiesen, aber man könne nicht alles 1 : 1 übertragen. Es werde aber geprüft, inwieweit das Urteil auf Billerbeck zutreffe. Der Kreis müsse über die Aufhebung des Bauverbots im Landschaftsschutzgebiet entscheiden, dabei werde der Landschaftsbeirat ein wichtiges Wort mitreden. Der Rat werde den Beschluss über die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens nicht selber treffen, sondern habe per Zuständigkeitsordnung die Entscheidung auf den Stadtentwicklungs- und Bauausschuss übertragen. Deshalb müsse der Rat die Anregungen an den Fachausschuss verweisen.

Etwas anderes sei das bzgl. der geplanten Errichtung eines Schweinemaststalles in Esking. In dem Fall habe der Stadtentwicklungs- und Bauausschuss die Entscheidung an den Rat zurückgegeben. Hierüber werde im weiteren Verlauf der Sitzung zu entscheiden sein.

 

Herr Fehmer hält es für beeindruckend, mit welcher Emotionalität hier vorgetragen wurde. Selbstverständlich hätten auch die Mitglieder der CDU-Fraktion Sorgen und Bedenken. Aber das geforderte politische Zeichen habe der Rat schon einmal gesetzt und sei dann im Klageverfahren unterlegen gewesen. Das müsse man so akzeptieren. Es sei gut, wenn der Widerstand gegen neue Ställe hoch sei. Nur werde man derzeit von Bauanträgen zur Errichtung neuer Ställe überrollt. Das Gesetzgebungsverfahren sei nicht so schnell. Er sei fest davon überzeugt, dass sowohl das Baugesetzbuch als auch die immissionsschutzrechtlichen Belange angepasst werden. Diesem Spagat müsse man sich stellen. Die CDU sollte bzgl. ihrer Einstellung nicht in eine Schublade gesteckt werden. Sie seien an Recht und Gesetz gebunden. Er beantrage, die Bürgeranregungen an den Ausschuss zu verweisen und die Verwaltung mit der Prüfung des Urteils zu beauftragen.

 

Herr Dittrich ist froh, dass heute so viele interessierte Zuhörer die Problematik deutlich gemacht haben. Er halte nichts davon, sich hinter Vorschriften zu verstecken. Das gemeindliche Einvernehmen könne durchaus versagt werden, wenn man die von den Bürgern deutlich gemachten Aspekte ehrlich prüfe und berücksichtige. Er entnehme den Ausführungen des Herrn Fehmer, dass sich auch bei der CDU-Fraktion etwas tue. Leider gebe es einige Gewerbetreibende und Landwirte, die bevor die Gesetzesänderungen wirksam werden, noch Fakten schaffen wollen. Den Bürgern und Kindern gegenüber stehe man in der Verpflichtung, das Heft in die Hand zu nehmen und das gemeindliche Einvernehmen zu versagen, auch wenn damit ein Rechtsstreit einhergehe.

 

Herr Geuking sieht sich in seiner Auffassung bestätigt, dass das gemeindliche Einvernehmen versagt werden könne. Das Urteil des VG Münster zeige, dass das erteilte gemeindliche Einvernehmen für den Stall in Aulendorf nicht hätte ersetzt werden dürfen. Das hätten die Fachanwälte wissen müssen. Die Klage hätte auch nicht sein müssen, das Einvernehmen hätte auf der Grundlage des § 36 BauGB versagt werden können. Hier werde es zukünftig darum gehen, mit welcher Begründung das gemeindliche Einvernehmen versagt werde. Wenn die weiteren in der Planung befindlichen Betriebe verhindert werden sollen, müsse man ehrlich zugeben, Mist gebaut zu haben.

 

Frau Dirks weist den Vorwurf zurück und wiederholt, dass hier ausführlich besprochen wurde, welche Begründungen angeführt werden dürfen, auch unter Hinzuziehung eines Fachanwalts. Der Richter habe klar gestellt, dass die Stadt beim gemeindlichen Einvernehmen nur prüfen dürfe, ob es entgegenstehende Planungen gebe und ob die Erschließung gesichert ist. Die Stadt habe bei dem Stall in Aulendorf darüber hinaus gehende Gründe angeführt und sei unterlegen.

 

Herr Schlieker findet es beeindruckend, aber auch beängstigend zu hören, welche Ängste bei Billerbecker Bürgern bestehen. Seine Fraktion sei die einzige, die bisher  unabhängig von den gesetzlichen Vorgaben, alle Ställe abgelehnt habe. Wenn man die Bürger ernst nehme, sollte man ein Zeichen setzen. Der Rat müsse sich unbedingt das Recht zurückholen und über das gemeindliche Einvernehmen selbst entscheiden. An einer so wichtigen Entscheidung müssten alle Ratsmitglieder beteiligt werden.

 

Frau Dirks weist darauf hin, dass dafür ein Antrag zur Änderung der Zuständigkeitsordnung erforderlich wäre. Sie schlage vor, alle Anregungen zur Legehennenanlage in Gerleve an den Fachausschuss zu verweisen.

Hiermit erklären sich die Ratsmitglieder einverstanden.