Betreff
5. Fortschreibung des Abwasserbeseitigungskonzeptes der Stadt Billerbeck (2011-2017); Bürgerantrag gem. § 24 Gemeindeordnung NRW der Nachbarschaft Gantweg vom 28.08.2012
Vorlage
AB/128/2012
Art
Sitzungsvorlage

Sachverhalt:

 

Die Nachbarschaft Gantweg beantragt, die Abwasserbeseitigungsanlagen im Bereich Gantweg/Hamern vom Anschlusszwang zu befreien soweit sie Kleinkläranlagen betreiben, die den gültigen Regeln der Technik entsprechen.

 

Ein nahezu gleichlautender Antrag erfolgte von Herrn Wübbeling an Herrn Minister Remmel. Die Stellungnahme der Stadt Billerbeck, des Kreis Coesfeld und der Bezirksregierung hierzu ist dieser Vorlage beigefügt.

 

Die Nachbarschaft Gantweg begründet ihren Antrag damit, dass gem. Runderlass des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 6. Dezember 1994 (sog. Nikolauserlass) Kleinkläranlagen nach DIN 4261 als Dauerlösung eingesetzt werden können und dass sich der Rat der Stadt Billerbeck seinerzeit für eine dezentrale Abwasserbeseitigung im Bereich Gantweg entschlossen hat. Im Weiteren begründet sie ihren Antrag damit, dass die dezentrale Abwasserbeseitigung auch ökologisch sinnvoll sei.

 

Der Runderlass des Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft vom 6.12.1994 sagt aus, dass Kleinkläranlagen als Dauerlösung für die Abwasser-beseitigung eingesetzt werden können, soweit die Übertragung der Abwasser-

beseitigungspflicht von der Gemeinde auf den Grundstücksnutzer nach § 53 Abs. 4 zulässig ist.

 

Die Übertragung der Abwasserbeseitigungspflicht nach § 53 Abs. 4 LWG ist für die in Rede stehenden Kleinkläranlagen jedoch nicht weiter zulässig, da der Anschluss in diesem Bereich wirtschaftlich ist und technisch einfach zu realisieren ist. Bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die Wirt-schaftlichkeit aus der Sicht der öffentlichen Abwasserbeseitigung zu beurteilen.

Auf der Grundlage der bereits prognostizierten Gebührenbedarfsberechung ergibt sich ein Gebührenüberschuss jährlich von rd. 3.000,00 € für den betreffenden Bereich. Somit kann die Wirtschaftlichkeit deutlich bejaht werden.

 

Die technische Realisierbarkeit wurde für den in Rede stehenden Bereich bereits mehrfach erläutert. Es sind lediglich kurze Druckrohrleitungen zu verlegen, da mit dem vorhandenen Baugebiet Sandbrink die Kanalisation bereits in unmittelbarer Nähe der betroffenen Grundstücke verlegt wurde. Auch ist eine Kanalisation entlang des Gantweg bis zum Gantweg 30 vorhanden. Das betreffende Gebiet ist somit praktisch von bestehenden Kanalisationen umschlossen.

 

Der Antrag wird ferner damit begründet, dass sich die Stadt Billerbeck seinerzeit für eine dezentrale Abwasserbeseitigung entschieden hat und die Kleinkläranlagen mit Landesmitteln gefördert wurden.

Richtig ist, dass seinerzeit (1996) festgelegt wurde, dass die Abwasserbeseitigung mittels Kleinkläranlagen vorzunehmen ist. Hierauf bezieht sich auch die Begründung für den Anschluss der in Rede stehenden Grundstücke der Bezirksregierung, die richtigerweise feststellt, dass sich mit der Änderung in den letzten Jahren, insbesondere mit der Erweiterung der Kanalisation durch die erschlossenen Baugebiete ein Kanalanschluss nach heutiger Lage angezeigt ist. Die Bezirksregierung begründet dies zutreffend auch damit, dass der öffentliche Kanal als Optimum entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung angesehen wird und der Abwasserbeseitigung mittels Kleinkläranlagen vorzuziehen ist. Auch hier gibt der Nikolauserlass einen Hinweis. Es wird dort ausgeführt, dass die Kleinkläranlagen in regelmäßigen Abständen zu sanieren sind, „soweit ihrem Fortbestand § 53 Abs. 4 LWG nicht entgegensteht.“  In § 53 Abs. 4 LWG wird, wie bereits ausgeführt, geregelt, dass einer Abwasserbeseitigung mittels Kleinkläranlagen nur entsprochen werden kann, falls wegen technischer Schwierigkeiten oder mangelnder Wirtschaftlichkeit eine Übernahme des Abwassers in die öffentliche Kanalisation nicht angezeigt ist. Dies ist jedoch im betreffenden Gebiet eindeutig nicht so, ein Anschluss somit geboten! Die Argumentation der Nachbarschaft ist zwar nachvollziehbar, aber sie ist auf der Grundlage des Ministeriumserlasses und der Rechtsprechung nicht begründet.

 

Zutreffend ist auch, dass Förderungen der Kleinkläranlagen in 2000-2002 erfolgten. Demnach ist die Zweckbindungsfrist der Förderung in 2012 (10 Jahre) auch für die letzte geförderte Anlage ausgelaufen und wäre bei einem geplanten Anschluss der Grundstücke in 2023 seit 11 Jahren ausgelaufen. Bei dieser Betrachtung ist auch zu berücksichtigen, dass die geförderten Anlagen zu diesem Zeitpunkt betriebswirtschaftlich im Wesentlichen abgeschrieben sind. Die Argumentation, dass mit der Außerbetriebnahme der betreffenden Kleinkläranlagen auch Fördergelder „verloren gehen“ ist somit weder fördertechnisch noch betriebswirtschaftlich begründbar.

 

 

Den angeführten Argumenten der Nachbarschaft Gantweg hinsichtlich der ökologischen Sinnhaftigkeit von dezentralen Anlagen muss aus der Sicht des Abwasserbetriebes deutlich widersprochen werden. Kleinkläranlagen sind selbstverständlich in den Bereichen, in denen eine öffentliche Kanalisation wirtschaftlich nicht angezeigt ist, eine ökologisch sinnvolle Alternative zur öffentlichen Abwasserreinigung. Die allgemeinen Anforderungen zur Reinigungsleistung von Kleinkläranlagen reduziert sich jedoch darauf, dass auf der Grundlage einer Bauartzulassung von einer Reinigungsleistung von für CSB=150 mg/l ausgegangen wird. In wenigen Fällen wird diese Reinigungsleistung auch als Überwachungswert festgelegt und im Rahmen der Eigenüberwachung überwacht. Zum Vergleich hierzu ist festzustellen, dass für die Kläranlage Billerbeck, also für die zentrale Abwasserbeseitigung ein Überwachungswert für CSB von 75 mg/l festgelegt wird, der aufgrund eigener Erklärungen seit mehr als 15 Jahren von CSB = 40 mg/l jederzeit eingehalten wird. Darüber hinaus werden weitere Grenzwerte für Phosphor P = 0,8 mg/l und Stickstoff Nges = 12 mg/l jederzeit eingehalten und diese Grenzwerte werden auch dauerhaft fremd überwacht.

 

Das oft angeführte Argument, dass Kleinkläranlagen durchaus bessere Reinigungsleistungen erzielen als die geforderten Werte, geht insofern ins Leere, da hier unberücksichtigt bleibt, dass selbstverständlich auch die Reinigungsleistung der Kläranlage der Stadt Billerbeck deutlich besser ist als die geforderte Reinigungsleistung. Es werden z.B. für CSB durchschnittliche Werte von CSB=21 mg/l erzielt, was somit knapp über der Nachweisgrenze von 15 mg/ l liegt!

 

Aus fachlicher Sicht kann somit hinsichtlich des vorzunehmenden Vergleichs zwischen der Kläranlage der Stadt Billerbeck und der in Rede stehenden Kleinkläranlagen festgestellt werden, dass die Reinigungsleistung der öffentlichen Kläranlage deutlich höher anzusetzen ist als die von Kleinkläranlagen. Darüber hinaus ist die Betriebsstabilität der öffentlichen Kläranlage und auch die Überwachungsintensität überragend höher einzustufen als die von Kleinkläranlagen.

 

Davon unberührt bleibt selbstverständlich die Möglichkeit jedes einzelnen Grundstückseigentümers mit seinen vorhandenen Teichanlagen oder Schilfbeetanlagen eine ökologische Aufwertung seines Grundstückes zu gestalten. Diese „Oasen für die Tierwelt“ können auch ohne zur Abwasserreinigung genutzt zu werden, erhalten bleiben.

 

Im Weiteren ist bei der Beurteilung des Sachverhaltes folgendes zu berücksichtigen:

 

  1. Die Bezirksregierung Münster hat mit Schreiben vom 06.09.2012 nochmals deutlich klargestellt, dass sie mit der Formulierung „soweit sich die Stadt in diese Richtung städtebaulich entwickelt“ nicht einverstanden erklären kann. Es wird somit erwartet, dass im 2. Zeitraum des ABK zwischen 2017 und 2023 ein Anschluss des betreffenden Bereiches Gantweg realisiert wird.
  2. Sollte dieser Forderung der Bezirksregierung, die sich auf ständige Rechtsprechung und die Regelungen des Runderlasses beruft, nicht entsprochen werden, gilt das ABK als nicht abgestimmt und dementsprechend werden die Förderbedingungen des Landes NRW nicht eingehalten. Eine Förderung im Bereich der Abwasserbeseitigung kann dann nicht erzielt werden.
  3. Die Bezirksregierung Münster und die Untere Wasserbehörde des Kreises Coesfeld haben unmissverständlich klargestellt, dass für die Grundstücke, für die bereits jetzt die Abwasserbeseitigungspflicht bei der Stadt Billerbeck liegt, erwartet wird, dass dieser Abwasserbeseitigungspflicht nachgekommen wird. Im Weiteren wird seitens der Unteren Wasserbehörde erklärt, dass für die Grundstücke, bei denen die wasserrechtliche Erlaubnis bis 2016 ausläuft und eine Abwasserbeseitigungspflicht auf die Grundstückseigentümer übertragen wurde, keine Verlängerung der Erlaubnis vorgenommen wird und eine Rückübertragung der Abwasserbeseitigungspflicht auf die Stadt Billerbeck erfolgen wird. Sie stützt sich hier insbesondere auf das Urteil des Verwaltungsgerichtes Münster AZ 7 K 1066/11, in dem eine solche Rückübertragung der Abwasserbeseitigungspflicht durch das VG bestätigt wurde.

Letztendlich bedeutet dies, dass die vorhandenen Kleinkläranlagen, sollte ein Anschluss an ein Kanalnetz nicht möglich sein, verschlossen werden müssen und die Abfuhr mittels Saugwagen erfolgen muss.

 

 

Es wird seitens der Betriebsleitung eindringlich darauf hingewiesen, dass bei dieser angedrohten Verfahrensweise die Kosten für die jeweiligen Grundstückseigentümer noch höher werden, weil die Abfuhr des gesamten Abwassers mittels Saugfahrzeug deutlich höhere Kosten verursacht und darüber hinaus faktisch der Intention der Bezirksregierung und der Unteren Wasserbehörde entsprochen werden muss.

 

Trotzdem kein abgestimmtes ABK vorliegt, falls der Ratsbeschluss „soweit sich die Stadt in diese Richtung städtebaulich entwickelt“ tatsächlich umgesetzt wird. Die Konsequenzen wären dann:

Keine Förderungen im Abwasserbereich bei gleichzeitigem Anschluss der in Rede stehenden Grundstücke (mit dem rollenden Kanal) über die Regelung der Abwasserbeseitigungspflicht bzw. der Nichtverlängerung von Erlaubnissen.

 

 

 

Abschließend wird dieser Vorlage die Stellungnahme der Kommunal Agentur NRW beigefügt. Diese Stellungnahme ist mit dem Hauptreferenten Herrn Dr. Queitsch des Städte- und Gemeindebundes abgestimmt. Darin werden die Einschätzungen und rechtlichen Einordnungen dieser Vorlage bestätigt. Es wird ebenfalls darauf hingewiesen, dass ein beanstandetes ABK im Umkehrschluss bedeutet, dass die Stadt die ihr obliegende Abwasserbeseitigungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt, eine Förderung des Landes NRW im Regelfall ausgeschlossen ist, ggfls die Abgabenbefreiung für die Abwasserabgabe verloren geht und die Stadt damit den Regelungen der Kommunalabwasserverordnung entgegen steht.

 

 

 

 

                                                            i.V.

Rainer Hein                                                  Gerd Mollenhauer

Betriebsleiter                                     Stadtoberamtsrat