Sachverhalt:
Die Nachbarschaft Gantweg beantragt, die Abwasserbeseitigungsanlagen im
Bereich Gantweg/Hamern vom Anschlusszwang zu befreien soweit sie
Kleinkläranlagen betreiben, die den gültigen Regeln der Technik entsprechen.
Ein nahezu gleichlautender Antrag erfolgte von Herrn Wübbeling an Herrn
Minister Remmel. Die Stellungnahme der Stadt Billerbeck, des Kreis Coesfeld und
der Bezirksregierung hierzu ist dieser Vorlage beigefügt.
Die Nachbarschaft Gantweg begründet ihren Antrag damit, dass gem.
Runderlass des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und
Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 6. Dezember 1994 (sog.
Nikolauserlass) Kleinkläranlagen nach DIN 4261 als Dauerlösung eingesetzt
werden können und dass sich der Rat der Stadt Billerbeck seinerzeit für eine
dezentrale Abwasserbeseitigung im Bereich Gantweg entschlossen hat. Im Weiteren
begründet sie ihren Antrag damit, dass die dezentrale Abwasserbeseitigung auch
ökologisch sinnvoll sei.
Der Runderlass des Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und
Landwirtschaft vom 6.12.1994 sagt aus, dass Kleinkläranlagen als Dauerlösung
für die Abwasser-beseitigung eingesetzt werden können, soweit die Übertragung der Abwasser-
beseitigungspflicht
von der Gemeinde auf den Grundstücksnutzer nach § 53 Abs. 4 zulässig ist.
Die Übertragung der Abwasserbeseitigungspflicht nach § 53 Abs. 4 LWG ist
für die in Rede stehenden Kleinkläranlagen jedoch nicht weiter zulässig, da der
Anschluss in diesem Bereich wirtschaftlich ist und technisch einfach zu realisieren
ist. Bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung ist nach höchstrichterlicher
Rechtsprechung die Wirt-schaftlichkeit aus der Sicht der öffentlichen
Abwasserbeseitigung zu beurteilen.
Auf der Grundlage der bereits prognostizierten Gebührenbedarfsberechung
ergibt sich ein Gebührenüberschuss
jährlich von rd. 3.000,00 € für den betreffenden Bereich. Somit kann die Wirtschaftlichkeit deutlich
bejaht werden.
Die technische Realisierbarkeit wurde für den in Rede stehenden Bereich
bereits mehrfach erläutert. Es sind lediglich kurze Druckrohrleitungen zu
verlegen, da mit dem vorhandenen Baugebiet Sandbrink die Kanalisation bereits
in unmittelbarer Nähe der betroffenen Grundstücke verlegt wurde. Auch ist eine
Kanalisation entlang des Gantweg bis zum Gantweg 30 vorhanden. Das betreffende Gebiet ist somit praktisch
von bestehenden Kanalisationen umschlossen.
Der Antrag wird ferner damit begründet, dass sich die Stadt Billerbeck
seinerzeit für eine dezentrale Abwasserbeseitigung entschieden hat und die
Kleinkläranlagen mit Landesmitteln gefördert wurden.
Richtig ist, dass seinerzeit (1996) festgelegt wurde, dass die
Abwasserbeseitigung mittels Kleinkläranlagen vorzunehmen ist. Hierauf bezieht
sich auch die Begründung für den Anschluss der in Rede stehenden Grundstücke
der Bezirksregierung, die richtigerweise feststellt, dass sich mit der Änderung
in den letzten Jahren, insbesondere mit der Erweiterung der Kanalisation durch
die erschlossenen Baugebiete ein Kanalanschluss nach heutiger Lage angezeigt ist. Die Bezirksregierung begründet
dies zutreffend auch damit, dass der öffentliche Kanal als Optimum entsprechend
der höchstrichterlichen Rechtsprechung angesehen wird und der
Abwasserbeseitigung mittels Kleinkläranlagen vorzuziehen ist. Auch hier gibt
der Nikolauserlass einen Hinweis. Es wird dort ausgeführt, dass die
Kleinkläranlagen in regelmäßigen Abständen zu sanieren sind, „soweit ihrem Fortbestand § 53 Abs. 4 LWG
nicht entgegensteht.“ In § 53 Abs. 4
LWG wird, wie bereits ausgeführt, geregelt, dass einer Abwasserbeseitigung
mittels Kleinkläranlagen nur entsprochen werden kann, falls wegen technischer
Schwierigkeiten oder mangelnder Wirtschaftlichkeit eine Übernahme des Abwassers
in die öffentliche Kanalisation nicht angezeigt ist. Dies ist jedoch im
betreffenden Gebiet eindeutig nicht so, ein Anschluss somit geboten! Die
Argumentation der Nachbarschaft ist zwar nachvollziehbar, aber sie ist auf der
Grundlage des Ministeriumserlasses und der Rechtsprechung nicht begründet.
Zutreffend ist auch, dass Förderungen der Kleinkläranlagen in 2000-2002
erfolgten. Demnach ist die Zweckbindungsfrist der Förderung in 2012 (10 Jahre)
auch für die letzte geförderte Anlage ausgelaufen und wäre bei einem geplanten
Anschluss der Grundstücke in 2023 seit 11 Jahren ausgelaufen. Bei dieser
Betrachtung ist auch zu berücksichtigen, dass die geförderten Anlagen zu diesem
Zeitpunkt betriebswirtschaftlich im Wesentlichen abgeschrieben sind. Die
Argumentation, dass mit der Außerbetriebnahme der betreffenden Kleinkläranlagen
auch Fördergelder „verloren gehen“ ist somit weder fördertechnisch noch
betriebswirtschaftlich begründbar.
Den angeführten Argumenten der Nachbarschaft Gantweg hinsichtlich der
ökologischen Sinnhaftigkeit von dezentralen Anlagen muss aus der Sicht des
Abwasserbetriebes deutlich widersprochen werden. Kleinkläranlagen sind
selbstverständlich in den Bereichen, in denen eine öffentliche Kanalisation
wirtschaftlich nicht angezeigt ist, eine ökologisch sinnvolle Alternative zur
öffentlichen Abwasserreinigung. Die allgemeinen Anforderungen zur
Reinigungsleistung von Kleinkläranlagen reduziert sich jedoch darauf, dass auf
der Grundlage einer Bauartzulassung von einer Reinigungsleistung von für
CSB=150 mg/l ausgegangen wird. In wenigen Fällen wird diese Reinigungsleistung
auch als Überwachungswert festgelegt und im Rahmen der Eigenüberwachung
überwacht. Zum Vergleich hierzu ist festzustellen, dass für die Kläranlage
Billerbeck, also für die zentrale Abwasserbeseitigung ein Überwachungswert für
CSB von 75 mg/l festgelegt wird, der aufgrund eigener Erklärungen seit mehr als
15 Jahren von CSB = 40 mg/l jederzeit eingehalten wird. Darüber hinaus werden
weitere Grenzwerte für Phosphor P = 0,8 mg/l und Stickstoff Nges =
12 mg/l jederzeit eingehalten und diese Grenzwerte werden auch dauerhaft fremd
überwacht.
Das oft angeführte Argument, dass Kleinkläranlagen durchaus bessere
Reinigungsleistungen erzielen als die geforderten Werte, geht insofern ins
Leere, da hier unberücksichtigt bleibt, dass selbstverständlich auch die
Reinigungsleistung der Kläranlage der Stadt Billerbeck deutlich besser ist als
die geforderte Reinigungsleistung. Es werden z.B. für CSB durchschnittliche
Werte von CSB=21 mg/l erzielt, was somit knapp über der Nachweisgrenze von 15
mg/ l liegt!
Aus fachlicher Sicht kann somit hinsichtlich des vorzunehmenden
Vergleichs zwischen der Kläranlage der Stadt Billerbeck und der in Rede
stehenden Kleinkläranlagen festgestellt werden, dass die Reinigungsleistung der öffentlichen Kläranlage deutlich höher
anzusetzen ist als die von Kleinkläranlagen. Darüber hinaus ist die Betriebsstabilität der öffentlichen Kläranlage und auch die
Überwachungsintensität überragend höher einzustufen als die von
Kleinkläranlagen.
Davon unberührt bleibt selbstverständlich die Möglichkeit jedes
einzelnen Grundstückseigentümers mit seinen vorhandenen Teichanlagen oder
Schilfbeetanlagen eine ökologische Aufwertung seines Grundstückes zu gestalten.
Diese „Oasen für die Tierwelt“ können auch ohne zur Abwasserreinigung genutzt
zu werden, erhalten bleiben.
Im Weiteren ist bei der Beurteilung des Sachverhaltes folgendes zu
berücksichtigen:
- Die Bezirksregierung Münster hat mit
Schreiben vom 06.09.2012 nochmals deutlich klargestellt, dass sie mit der
Formulierung „soweit sich die Stadt in diese Richtung städtebaulich
entwickelt“ nicht einverstanden erklären kann. Es wird somit erwartet,
dass im 2. Zeitraum des ABK zwischen 2017 und 2023 ein Anschluss des
betreffenden Bereiches Gantweg realisiert wird.
- Sollte dieser Forderung der Bezirksregierung,
die sich auf ständige Rechtsprechung und die Regelungen des Runderlasses
beruft, nicht entsprochen werden, gilt das ABK als nicht abgestimmt und
dementsprechend werden die Förderbedingungen des Landes NRW nicht
eingehalten. Eine Förderung im Bereich
der Abwasserbeseitigung kann dann nicht erzielt werden.
- Die Bezirksregierung Münster und die
Untere Wasserbehörde des Kreises Coesfeld haben unmissverständlich
klargestellt, dass für die Grundstücke, für die bereits jetzt die
Abwasserbeseitigungspflicht bei der Stadt Billerbeck liegt, erwartet wird,
dass dieser Abwasserbeseitigungspflicht nachgekommen wird. Im Weiteren
wird seitens der Unteren Wasserbehörde erklärt, dass für die Grundstücke,
bei denen die wasserrechtliche Erlaubnis bis 2016 ausläuft und eine
Abwasserbeseitigungspflicht auf die Grundstückseigentümer übertragen
wurde, keine Verlängerung der Erlaubnis vorgenommen wird und eine
Rückübertragung der Abwasserbeseitigungspflicht auf die Stadt Billerbeck
erfolgen wird. Sie stützt sich hier insbesondere auf das Urteil des
Verwaltungsgerichtes Münster AZ 7 K 1066/11, in dem eine solche
Rückübertragung der Abwasserbeseitigungspflicht durch das VG bestätigt
wurde.
Letztendlich bedeutet dies, dass die
vorhandenen Kleinkläranlagen, sollte ein Anschluss an ein Kanalnetz nicht
möglich sein, verschlossen werden müssen und die Abfuhr mittels Saugwagen
erfolgen muss.
Es wird seitens der Betriebsleitung
eindringlich darauf hingewiesen, dass bei dieser angedrohten Verfahrensweise die Kosten für die jeweiligen
Grundstückseigentümer noch höher werden, weil die Abfuhr des gesamten
Abwassers mittels Saugfahrzeug deutlich höhere Kosten verursacht und darüber
hinaus faktisch der Intention der
Bezirksregierung und der Unteren Wasserbehörde entsprochen werden muss.
Trotzdem kein abgestimmtes ABK vorliegt,
falls der Ratsbeschluss „soweit sich die Stadt in diese Richtung städtebaulich
entwickelt“ tatsächlich umgesetzt wird. Die Konsequenzen wären dann:
Keine Förderungen im Abwasserbereich bei
gleichzeitigem Anschluss der in Rede stehenden Grundstücke (mit dem rollenden
Kanal) über die Regelung der Abwasserbeseitigungspflicht bzw. der
Nichtverlängerung von Erlaubnissen.
Abschließend wird dieser Vorlage die Stellungnahme der Kommunal Agentur
NRW beigefügt. Diese Stellungnahme ist mit dem Hauptreferenten Herrn Dr.
Queitsch des Städte- und Gemeindebundes
abgestimmt. Darin werden die
Einschätzungen und rechtlichen Einordnungen dieser Vorlage bestätigt. Es wird
ebenfalls darauf hingewiesen, dass ein beanstandetes ABK im Umkehrschluss
bedeutet, dass die Stadt die ihr obliegende Abwasserbeseitigungspflicht nicht
ordnungsgemäß erfüllt, eine Förderung des Landes NRW im Regelfall
ausgeschlossen ist, ggfls die Abgabenbefreiung für die Abwasserabgabe verloren
geht und die Stadt damit den Regelungen der Kommunalabwasserverordnung entgegen
steht.
i.V.
Rainer Hein Gerd
Mollenhauer
Betriebsleiter Stadtoberamtsrat