Betreff
Überarbeitung des Städtebaulichen Entwicklungskonzeptes der Stadt Billerbeck und weitere Umsetzung des Konzeptes
hier: Einbau eines Aufzuges in das Rathaus
Vorlage
FBPB/868/2013
Art
Sitzungsvorlage

 Beschlussvorschlag:

 

Ergänzend zum Ratsbeschluss vom 17. Oktober 2013 verbleibt auch der Rathausaufzug im fortgeschriebenen Städtebaulichen Entwicklungskonzept. Die Umsetzung des Einbaus eines Aufzuges in das Rathaus wird beschlossen.


Sachverhalt:

 

Die Bezirksregierung ist aufgrund der Presseberichterstattung auf die Beschlusslage zum Thema Rathausaufzug aufmerksam geworden. Nach einer telefonischen Ankündigung  der Regierungsvizepräsidentin, Dorothea Feller, ist mit Datum vom 30. Oktober 2013 ein Schreiben eingegangen, aus dem hervorgeht, dass die Bezirksregierung die Barrierefreiheit des Rathauses als ein Kernprojekt mit Vorbildfunktion für Investitionen im gewerblichen und privaten Bereich ansieht und die Gesamtförderung des integrierten Handlungskonzeptes in Frage stellt, wenn auf dieses Projekt verzichtet wird (siehe Anlage).

 

Nach einem interfraktionellen Gespräch wurde verwaltungsseitig erneut mit der Bezirksregierung Kontakt aufgenommen und Bericht erstattet über die Willensbildung im Rat. Die Begründung der ablehnenden Haltung des Großteils der CDU liegt dem zuständigen Hauptdezernenten ebenso vor wie die anderen Stellungnahmen. Da auch für die anderen Projekte aus den Förderanträgen die Nachweise der Beschlussfassung durch den Rat zu erbringen waren, wurden der Bezirksregierung die Einladung und die Niederschrift zur letzten Ratssitzung übersandt.

 

Die Bezirksregierung bleibt bei ihrer Haltung, dass das barrierefreie Rathaus als Vorbildfunktion im öffentlichen Bereich als Kernaussage unseres Handlungskonzeptes zu sehen ist. Aus städtebaulicher Sicht sei die Barrierefreiheit in öffentlichen Einrichtungen ein absolut prioritäres Ziel und dementsprechend hoch in den Förderangeboten des Landes verankert. Wir selbst haben ja den Schwerpunkt Barrierefreiheit gesetzt.  Und nur daher seien wir im Förderprogramm nach oben gerutscht.  Bei dieser Veränderung würden wir aus dem Förderprogramm 2013 nun erst einmal herausfallen, da nun nicht mehr geklärt sei, ob unser Konzept den hohen Anforderungen entspreche. Es müsse dann mit dem Ministerium abgestimmt werden, ob eine Aufnahme in das Programm 2014 auch ohne Aufzug erfolgen könne. Das werde allerdings bereits durch die angekündigten Regionale-Anträge, die bevorzugt behandelt werden müssen, stark in Anspruch genommen.

Die Bezirksregierung geht davon aus, dass in die weitere Entscheidungsfindung auch die Gremien eingebunden sind, die die Interessen der Behinderten und Senioren in Billerbeck vertreten.

Das Schreiben der Bezirksregierung vom 14. November ist ebenfalls als Anlage beigefügt.

 

Verwaltungsseitig wurde daher nochmals mit der Altenbegegnung sowie der KICS (Kreis-AG-Interessenvertretung-Coesfeld-Selbsthilfe) Kontakt aufgenommen. Die KICS verweist insbes. auf die Behinderten-Gleichstellungsgesetze von Bund und Ländern und die UN-Behindertenrechtskonvention. Die KICS geht davon aus, dass die Stadt sowieso in den nächsten Jahren einen Aufzug einbauen muss. Nur hierdurch könne ein behindertengerechter, barrierefreier Zugang zum Rathaus in allen Ebenen gewährt werden. Die Altenbegegnung hält an ihrer Forderung fest und hat eine weitere Stellungnahme angekündigt. Auch Kids mit Handicaps hat eine Stellungnahme angekündigt, in der der Verein sich deutlich für den Aufzug aussprechen wird.

 

Da nun die Gefahr besteht, dass das gesamte integrierte Handlungskonzept aus dem Städtebauförderprogramm herausfällt oder zumindest auf unabsehbare Zeit nach hinten verschoben werden könnte, ergibt sich eine neue Beratungsgrundlage, die die Einberufung dieser Ratssitzung erforderlich macht.

 

Als Bürgermeisterin fällt mir das Recht zu, Ratssitzungen einzuberufen und die Beratungspunkte festzulegen. Der Rat hat das Recht, jederzeit seine Beschlüsse zu verändern, solange diese keine Außenwirkung gegenüber außerhalb der Gemeindeverwaltung stehenden Dritten erlangt haben. Sie können jederzeit wieder aufgehoben werden. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass durch einen Beschluss der Tagesordnungspunkt für die jeweilige Sitzung „verbraucht“ ist. (VGH BW, Beschluss vom 30.12.1971  - I 191/70-, von Mutius, Entscheidung Nr. 2 zu § 31 GO a.F.)

Eine sogenannte „Sperrklausel bzw. Sperrfrist“  analog des § 26 Abs. 8 GO NW, der eine Bindungswirkung von bis zu 2 Jahren vorsieht, ist nicht in der Geschäftsordnung des Rates der Stadt Billerbeck enthalten.  (vergleiche Kommentar zur Gemeindeordnung NRW von Kleerbaum/Palmen zu § 50 GO NRW – Abstimmungen)

Da der Tagesordnungspunkt nun vor einem neuen Hintergrund beraten werden muss, nehmen wir verwaltungsseitig an dieser Stelle Stellung zu den Alternativ-Vorschlägen zur Herstellung der Barrierefreiheit des Rathauses. Wir haben mehrfach deutlich gemacht, dass Barrierefreiheit bedeutet, Menschen mit Einschränkungen grundsätzlich das selbst bestimmte Aufsuchen der zuständigen Sachbearbeiter zu ermöglichen, aber auch Mitarbeiter mit Einschränkungen beschäftigen zu können.

Daher ist aus unserer Sicht der Aufzug die einzige Möglichkeit, dieses Ziel zumindest weitgehend zu erreichen. In der von uns für den Aufzug vorlegten Kostenschätzung sind die Kosten für die Automatisierung der Eingangstüren enthalten.

Betrachten wir die von den Kritikern des Aufzugs ins Feld geführten Alternativen, die Verlagerung möglichst vieler Dienstleistungen ins Erdgeschoss in Form eines Bürgerbüros sowie den Einbau eines Treppenliftes, ist festzuhalten, dass auch diese mit erheblichen Kosten verbunden sind bzw. hinsichtlich des Treppenliftes voraussichtlich wegen des erheblichen Eingriffes in das Denkmal Rathaus nicht durchführbar wäre. Auch diese Aspekte haben wir verwaltungsseitig mehrfach vorgetragen.

Soll ein Bürgerbüro eine Vielzahl von Dienstleistungen anbieten, so muss dieses auch mit einer entsprechenden Anzahl von fachkundigen Sachbearbeitern besetzt werden, so z. B. aus den Bereichen Steuern und Abgaben, Meldeangelegenheiten, usw. Hierzu sind aber nur Verwaltungen ab einer bestimmten Größe in der Lage, die über entsprechende Personalkapazitäten verfügen und Sachbearbeiter aus allen betroffenen Fachbereichen in das Bürgerbüro umsetzen können. Die Stadt Billerbeck verfügt über diese Kapazitäten nicht. Sie müsste zur Sicherstellung der Servicequalität eine weitere Stelle schaffen und vorhandene Mitarbeiter umfangreich schulen. Denn neben der Dienstleistung für den Bürger sind auf allen Sachbearbeiterstellen noch umfangreiche weitere Arbeiten im sog. Back Office  zu erledigen.

Kleinere Verwaltungen wie die Stadt Billerbeck haben für bestimmte Aufgabenbereiche in der Regel nur einen Sachbearbeiter, in wenigen Fällen zwei. Bürgerbüros in kleineren Verwaltungen können daher nicht mit fachkundigen Sachbearbeitern aus allen Bereichen besetzt werden. Dies führt dazu, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Bürgerbüros der kleinen Verwaltungen nicht in allen Sachgebieten qualifizierte Auskünfte geben können. Soweit es um schwierigere Fragen geht, wird der Mitarbeiter aus dem Bürgerbüro dann doch an den zuständigen Sachbearbeiter verweisen müssen. Des Weiteren wird sich bei der Annahme von Anträgen im Bürgerbüro nicht vermeiden lassen, dass der zuständige Sachbearbeiter bei der Weiterbearbeitung des Antrages auf ungeklärte Fragen stößt, die eine nochmalige Nachfrage beim Antragsteller erforderlich machen.

Aus diesen Gründen wird es sowohl kostenmäßig als auch servicemäßig als besser angesehen, wenn sich die Bürger und Bürgerinnen in der Verwaltung der Stadt Billerbeck unmittelbar an den zuständigen Sachbearbeiter wenden, um einerseits eine qualifizierte Auskunft und Beratung zu erhalten und andererseits vom Sachbearbeiter sofort geprüft werden kann, ob die Antragsunterlagen vollständig vorgelegt wurden.

Hinzu kommt, dass Bereiche wie Standesamt und Kindergartenbeiträge, die ebenfalls publikumsintensiv sind,  nicht in ein Bürgerbüro verlagert werden können, weil dort spezielle Fachkenntnisse erforderlich sind.

Nicht erreichbar wäre auch nach wie vor der Bereich Zentrale Dienste, der ebenfalls regelmäßig Publikum hat. Diesen Fachbereich suchen zwar seltener Bürger auf, dafür aber Mitarbeiter, externe Dienstleister und Kooperationspartner.

 

Bei einer Verlagerung möglichst vieler Dienstleistungen in das Erdgeschoss wären dort erhebliche Umbaumaßnahmen erforderlich, die durchgeplant werden müssten, um  ein leistungsfähiges Bürgerbüro einzurichten.  Für die bisherige Nutzung müssten andere Räume gefunden werden.

Eben diese Kostengesichtspunkte haben dazu geführt, dass die Einrichtung eines Bürgerbüros nicht weiterverfolgt wurde.

Ein solches Bürgerbüro wird von uns auch nicht als Alternative zu einem Aufzug gesehen, sondern ist grundsätzlich eine Entscheidung, in welcher Form der Bürgerservice angeboten wird.

 

Ein möglicher Treppenlift wäre platzmäßig ausschließlich im historischen Treppenhaus denkbar, da das Haupttreppenhaus sehr schmal ist und daher auch Gründe des Brandschutzes einem Treppenlift entgegenstehen.

So könnten über das historische Treppenhaus beim ersten Hinsehen der Ratssaal, das Trauzimmer und das erste Obergeschoss erreicht werden. Es müsste technisch überprüft werden, ob dies möglich ist. Hürden stellen dort bereits die ersten Stufen draußen dar. Hier müsste über eine Rampe oder einen kleinen Lift zunächst das Eingangsniveau erreicht werden, was aufgrund des engen Gehweges vor dem Rathaus problematisch ist. Dann nimmt der Öffnungsbereich der Eingangstür bereits den ebenen Bereich vor der Treppe in Anspruch, sodass die Tür nach außen öffnend umgebaut werden müsste. Ein Lift müsste dann mehrere Treppen, Podeste und den Flurbereich überbrücken. Die Maßnahme wäre daher sehr aufwändig. Sollte sie technisch machbar sein, wäre sie mit erheblichen  Eingriffen in das Denkmal Rathaus und mit hohen Kosten verbunden.

Alle anderen Räumlichkeiten blieben nach wie vor nicht zugänglich.

 

Aufgrund dieser Überlegungen bewerten wir den Aufzug mit einer finanziellen Unterstützung aus Mitteln der Städtebauförderung als die komfortabelste und auch als die wirtschaftlichste Lösung, die für große Teile des Rathauses dauerhaft zur Barrierefreiheit beiträgt.

 

 

 

 

Marion Dirks

Bürgermeisterin

 


Bezug:     Sitzung des Rates vom 17. Oktober 2013, TOP 4 ö. S.

 

 

Höhe der tatsächl./voraussichtlichen Kosten:                                             350.000,- Euro

 

Finanzierung durch Mittel bei Produktkonto:                                         01120.78550000

Über-/außerplanmäßige Ausgabe in Höhe von Euro:                                                     

Finanzierungs-/Deckungsvorschlag:                                                                                 


 


Anlagen:

Schreiben der Bezirksregierung vom 30. Oktober 2013 und 14. November 2013