Sachverhalt:
Bekanntermaßen ist seit dem 01.01.2005 das Sozialgesetzbuch (SGB) II – Grundsicherung für Arbeitssuchende - in Kraft und somit die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe erfolgt. Aufgrund des Optionsantrages vom 30.08.2004 ist der Kreis Coesfeld vom zuständigen Bundesministerium zunächst für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.12.2010 als kommunaler Träger zugelassen worden und tritt damit im Rahmen seiner örtlichen Zuständigkeit alleine für die Aufgabenerledigung an die Stelle der Bundesagentur für Arbeit. Der Kreis Coesfeld wiederum hat aufgrund landesgesetzlicher Ermächtigung per Satzung die Aufgabenerledigung, insbesondere die Gewährung von Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, an die kreisangehörigen Gemeinden und damit auch an die Stadt Billerbeck übertragen.
Rechtliche Neuerungen
Während im Jahr 2005 noch die Übernahme der Leistungsfälle und somit die Sicherung des Lebensunterhaltes im Vordergrund der Aufgabenwahrnehmung durch die Stadt Billerbeck stand, galt es im abgeschlossenen Jahr 2006 die umfangreichen rechtlichen Änderungen umzusetzen. Die unerwartet hohen Kosten für das Arbeitslosengeld II haben im vergangenen Jahr die Bundesregierung zu erheblichen Anpassungen und Nachbesserungen des SGB II veranlasst.
Hier ist insbesondere der Personenkreis der jungen Erwachsenen bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres betroffen. Ziel der gesetzlichen Neuregelung im vergangenen Jahr war es, dem Trend aus dem Jahr 2005 entgegenzuwirken und u.a. zu verhindern, dass Jugendliche bzw. junge Erwachsene auf Kosten der Allgemeinheit eine eigene Wohnung anmieten und gleichzeitig die volle Regelleistung in Anspruch nehmen können. Ab dem letzten Jahr dürfen diese jungen Erwachsenen nur noch mit vorheriger Zustimmung und Zusicherung des Zentrums für Arbeit aus dem elterlichen Haushalt ausziehen. Zur Zustimmung ist der zuständige Leistungsträger nur noch dann verpflichtet, wenn
- der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen
nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden
kann,
- der Bezug einer eigenen Unterkunft zur
Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
- ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund
vorliegt.
Des Weiteren bilden diese unter 25-Jährigen nunmehr eine sog. Bedarfsgemeinschaft mit ihren Eltern. D.h., Einkommen und Vermögen der Eltern ist nun auch zur Sicherung des Lebensunterhaltes dieser volljährigen Kinder einzusetzen. Darüber hinaus haben alle unverheirateten und erwerbsfähigen jungen Erwachsenen, die im Haushalt der Eltern / eines Elternteils wohnen, nicht mehr Anspruch auf 100 % der Regelleistung (345,00 €) sondern nur noch auf 80 % (276,00 €).
Eine weitere wichtige Neuerung ist die Unterbreitung eines Sofortangebotes. Dieses besagt, dass erwerbsfähigen Personen, die Arbeitslosengeld II beantragen, bereits bei der Beantragung dieser Leistungen unverzüglich Leistungen zur Eingliederung in Arbeit angeboten werden sollen. Es kann sich hierbei um Eingliederungsmaßnahmen handeln, welche im Kreisgebiet von Maßnahmeträgern im Auftrag des Kreises Coesfeld vorgehalten werden, oder aber auch um Plus-Jobs, die durch das kommunale Zentrum für Arbeit vermittelt werden. Hintergrund ist hier wieder der Grundgedanke des SGB II durch Fördern und Fordern die Zeit der Arbeitslosigkeit zu verringern.
Neben der positiven Anhebung der Freibeträge bei Erwerbseinkommen, welche den Arbeitssuchenden zusätzlich motivieren sollen, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, hat der Gesetzgeber im letzten Jahr auch die Freibeträge bezüglich des Vermögens angepasst. Langzeitarbeitslose sollen nun mehr Geld für ihre Altersvorsorge zurücklegen dürfen, ohne dass die Unterstützungsleistungen gekürzt werden. Der Freibetrag für die private Altersvorsorge beträgt jetzt 250,00 € pro Lebensjahr statt wie vorher lediglich 200,00 €. Finanziert wird diese Ausweitung durch die Beschränkung des Höchstbetrages für sonstiges Vermögen, wie zum Beispiel des Sparguthabens, von bislang 200,00 € auf nunmehr 150,00 € pro Lebensjahr.
Einschneidende Folgen für den Kunden können aufgrund der Gesetzesänderung auch das erweiterte Sanktionsrecht entfalten. Die Kürzungen betragen i.d.R. 30 % des für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen maßgebenden Regelbetrages, wenn zum Beispiel eine zumutbare Arbeit oder Eingliederungsmaßnahme abgelehnt wird. Bei wiederholten Pflichtverletzungen kann das Arbeitslosengeld II sogar um 60 % bis 100 % gemindert werden, wobei hier der zuständige Träger in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen erbringen kann. Im Bereich der Stadt Billerbeck war eine derartige Sanktionierung eines pflichtwidrigen Verhaltens jedoch noch nicht erforderlich.
Dagegen eröffnet der automatisierte Datenabgleich u.a. mit den Sozialversicherungsträgern und dem Bundeszentralamt für Steuern die Möglichkeit, Personen zu ermitteln, die zu Unrecht Arbeitslosengeld II beziehen. In einigen wenigen Fällen ergab die Überprüfung, dass Kunden Vermögen oder Einkommen verschwiegen haben. Neben der Rückforderung zu Unrecht gezahlter Leistungen wird zur Zeit geprüft, ob darüber hinaus noch Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren eingeleitet werden.
In diesem Zusammenhang ist mitzuteilen, dass der Kreis Coesfeld aufgrund seiner gesetzlichen Verpflichtung einen örtlichen Ermittlungsdienst eingerichtet hat, der u.a. die Aufgabe hat, Unregelmäßigkeiten aufzudecken und auszusprechende Sanktionen mit gerichtsfesten Sachverhalten zu untermauern. Nicht unerwähnt bleiben darf hier jedoch, dass der ehrliche Leistungsbezieher der Regelfall ist und nicht mit einzelnen Betrügern in Verbindung gebracht werden darf.
Zahlenmäßiger Überblick
Durch die intensive Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Akteuren nach dem SGB II (Fallmanager, Hilfeplaner, Maßnahmeträger) konnte die Zahl der Vermittlungen von 64 Arbeitssuchenden im Jahr 2005 auf nunmehr insgesamt 142 im Jahr 2006 gesteigert werden. Kreisweit konnten im abgelaufenen Jahr im Rechtskreis SGB II insgesamt 2.513 Vermittlungen verzeichnet werden (1.350 im Jahr 2005).
Vermittlungen
im Jahr 2006
Die Steigerung der Vermittlungszahlen ist auch darauf zurückzuführen, dass die Eingliederungsmaßnahmen ihre Wirkung entfalten, da in der Zusammenarbeit mit allen Beteiligten eine passgenaue Vermittlung stattgefunden hat. Gleichwohl bedarf die Arbeit einer ständigen Kontrolle und Überprüfung. So muss kontinuierlich ermittelt werden, welche Erwerbstätigkeiten am Arbeitsmarkt nachgefragt werden, welche Kunden ggfl. einer speziellen Fortbildung oder Qualifizierung bedürfen und wie die vom Kreis Coesfeld vergebenen Eingliederungsmaßnahmen sich weiter zu entwickeln haben.
Im Jahr 2005 konnte der Trend zur Verringerung der Zahl der Bedarfsgemeinschaften gehalten werden. Während am Jahresanfang noch 224 Gemeinschaften leistungsberechtigt waren, betrug die Zahl Ende 2006 nur noch 183. Im Zuständigkeitsbereich der Stadt Billerbeck wurde somit eine Reduzierung von rd. 18 % erreicht.
Anzahl
der Bedarfsgemeinschaften
Diese Entwicklung entspricht dem kreisweiten Trend, wo sich die Bedarfsgemeinschaften von 5.068 auf 4.519 (also rd. 11 %) verringert haben. Ein Grund für den Rückgang ab der Jahresmitte ist sicherlich auch darin zu sehen, dass ursprünglich leistungsberechtigte junge Erwachsene nunmehr zurück in die erweiterte Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern gefallen sind.
Erfreulich für die Stadt Billerbeck ist auch, dass sich die Zahl der Neufälle im Vergleich zum Jahr 2005 verringert hat. So mussten im vorletzten Jahr insgesamt 168 neue Fälle aufgenommen werden, während es im Jahr 2006 nur noch 116 waren.
Zahl
der Neufälle
Unter Berücksichtigung der reduzierten Bedarfsgemeinschaften von 41 und den aufgenommenen Neufällen, konnte die Hilfebedürftigkeit im Jahr 2006 für insgesamt 157 Bedarfsgemeinschaften beendet werden. Auch dieser Trend ist zunächst für die betroffenen Familien zufriedenstellend, obschon diese Reduzierung der leistungs-berechtigten Fälle einen leichten Rückgang gegenüber dem Jahr 2005 (176) bedeutet.
Insgesamt deuten diese Zahlen auf ein sehr dynamisches Rechtsgebiet hin. Selbst unter der Betrachtungsweise, dass der Anteil der Leistungsempfänger alleine nach dem SGB II (Dez. 06 = 377 Personen) gemessen an der Einwohnerzahl nur rd. 3,2 % beträgt (kreisweit 9.815 Personen = rd. 4,4 %), ist es weiterhin ein wichtiges Thema für die Bürger der Stadt Billerbeck. Dieses wird auch dadurch unterstrichen, dass im Jahresschnitt weitaus mehr Bürger in Kontakt mit dem SGB II kommen, als es die vorgenannte absolute Zahl des Monats Dez. 06 zeigt. Schon deshalb kann es dabei bleiben, dass der Schritt zur Option und damit zu einer ortsnahen Verwaltung richtig war, zumal sich die finanzielle Ausstattung für die Stadt Billerbeck nicht geändert hat und weiterhin als auskömmlich bezeichnet werden kann.
I.A.
Martin Struffert Marion Dirks
Fachbereichsleiter Bürgermeisterin