Der Bericht über die aktuelle Flüchtlingssituation in Billerbeck wird
zur Kenntnis genommen. Der Antrag der CDU Fraktion auf Schaffung weiterer
Stellenanteile im Fachbereich Soziales wird zurückgestellt, bis ein
zusätzlicher Bedarf erkennbar ist, und soweit er die Gründung eines Beirates betrifft
abgelehnt, da es bereits bestehende Strukturen in Billerbeck gibt.
Sachverhalt:
Wie in den letzten Sitzungen des Rates bzw. des Haupt- und
Finanzausschusses berichtet, hat sich die Zahl der Flüchtlinge in Billerbeck
deutlich erhöht. So sind seit Anfang März 2022 insgesamt 91 Flüchtlinge in
Billerbeck angekommen, darunter hauptsächlich Bürgerinnen und Bürger aus der
Ukraine.
Vorstehende Grafik lässt erkennen, dass zum Anfang der Ukraine-Krise
eine sehr diffuse Zu- bzw. Abwanderung zu verzeichnen war. Um Ostern herum
erfolgte wohl ein Höhepunkt der Zuweisungen und in den letzten Wochen ließ der
Zuweisungsdruck aus der Ukraine vorsichtig betrachtet deutlich nach. Ob dieser
Trend so beibehalten wird kann verlässlich zum jetzigen Zeitpunkt nicht gesagt
werden.
Die in den letzten Monaten zugezogenen Flüchtlinge sind aktuell wie
folgt untergebracht:
- 21 Ukrainerinnen und Ukrainer bei
Gastfamilien
- 7 Ukrainerinnen und Ukrainer mit eigenen
Mietverhältnissen
- 36 Ukrainerinnen und Ukrainer in
städtischen Gemeinschaftsunterkünften
- 27 sonstige Flüchtlinge in städtischen
Gemeinschaftsunterkünften
Die ersten Eingliederungsgespräche mit Flüchtlingen aus der Ukraine
ergaben, dass viele natürlich den Wunsch haben, wieder in ihr Heimatland
zurückkehren zu können. Mittlerweile zeichnet sich aber auch ab, dass deutlich
mehr Ukrainer und Ukrainerinnen als ursprünglich angenommen sich vorstellen
können, auch dauerhaft in Deutschland wohnen zu wollen. Sicherlich wird sich
der Bleibewunsch noch weiter entwickeln in Abhängigkeit von der tatsächlichen
Entwicklung im Kriegsgebiet bezogen auf die Dauer des Krieges und dem Zerstörungsgrad
der dortigen Infrastruktur. Ob also aus der Ukraine Geflüchtete nur kurzfristig
oder langfristig in Billerbeck integriert werden müssen, steht zum jetzigen
Zeitpunkt noch nicht fest und unterscheidet sich insofern von anderen
Flüchtlingskrisen, wo die Option einer Rückkehr in das Heimatland oftmals gar
nicht bestand. Es gilt hier also genau zu beobachten, wie sich die Situation
entwickelt. Daran bemisst sich auch die Art der Eingliederung. Reicht evtl.
eine kurzfristige Eingliederung in eine Arbeit (soweit Sprachkenntnisse dieses
zulassen) oder bedarf es beispielweise doch längerfristiger Integrationskurse.
Statistische Zahlen aus der Verteilstatistik nach dem
Flüchtlingsaufnahmegesetz besagen, dass der Abwärtstrend bezogen auf die
Erfüllungsquote aller Geflüchteten (also inclusive Ukraine) angehalten werden
konnte. So betrug die Erfüllungsquote Anfang März 2022 bei rd. 105 %, es lag
also eine Übererfüllung vor, und sank dann zu Ende März erheblich auf nur noch
rd. 54 %. Mittlerweile beträgt die Erfüllungsquote wieder 64 %. Auch hier wird
man die Entwicklung beobachten müssen, da die Erfüllungsquoten der einzelnen
Städte und Gemeinden in NRW doch sehr unterschiedlich sind. Von einer
gleichmäßigen Verteilung aller Flüchtlinge kann zum jetzigen Zeitpunkt noch
nicht gesprochen werden. Es wird wohl auch noch einige Zeit in Anspruch nehmen,
bis eine valide Aussagefähigkeit dieser Statistik erreicht wird.
Neben den Beobachtungen vorgenannter Entwicklungen müssen aber auch
Maßnahmen gegen akute Notlagen getroffen werden.
So galt es in den letzten Wochen für die Flüchtlinge eine
(übergangsweise) Unterkunft zu finden und den laufenden Lebensunterhalt
inclusive Krankenversorgung zu sichern. Dabei wurde und wird bei Bedürftigkeit
die Hilfe über das Asylbewerberleistungsgesetz abgedeckt. Darüber hinaus
mussten nach den Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes Erstuntersuchungen
für Bewohner von Gemeinschafts- einrichtungen organisiert und durchgeführt
werden. Natürlich sind auch die Wünsche der Geflüchteten bezogen auf Sprach-
und Integrationskurse, Aufnahme einer Arbeit, Kinderbetreuung in KiTas und
Schulen, Vermittlung eigener Mietverhältnisse und vieles mehr zu
berücksichtigen.
Bei der Bewältigung all dieser Aufgaben sind viele Akteure in Billerbeck
tätig. Natürlich leisten hier die Gastfamilien einen sehr wertvollen Beitrag.
Aber auch das bestehende Netzwerk Flüchtlingsarbeit ist weiterhin sehr aktiv,
um bestehende Probleme zu erkennen und Lösungsansätze zu finden. Durch diese
Vernetzung gibt es einen Austausch zwischen der Flüchtlingsinitiative
„Hiergeblieben“, der Schulsozialarbeit und den Schulen, dem einLADEN mit dem
Ankommenstreffpunkt, der Caritas Billerbeck mit der Textil-Oase und der
Fahrradwerkstatt, dem Verein Kinder-, Jugend- und Familienhilfe, der sozialen
Betreuung durch die DRK-Flüchtlingsbetreuung und dem Fachbereich Soziales der
Stadt Billerbeck, der auch für weitere Vereine und Verbände oder Einzelpersonen
als Ansprechpartner jederzeit zur Verfügung steht.
Darüber hinaus gibt es durch eine Gesetzesänderung vom 20. Mai 2022
mittlerweile ab dem 01.06.2022 eine weitere Erleichterung für Flüchtlinge aus
der Ukraine durch die grundsätzliche Möglichkeit des Zuganges in das
Leistungssystem der Sozialgesetzbücher Zwei und Zwölf (SGB II und SGB XII). Allerdings
ist auch hier die Voraussetzung, dass die Flüchtlinge im Besitz einer
Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Aufenthaltsgesetz sind oder zumindest eine
Fiktionsbescheinigung haben. Nach jetzigem Stand (29.05.2022) können insgesamt
25 Ukrainer in Billerbeck vom Rechtskreiswechsel somit noch nicht profitieren.
Hier verzögert sich der Zugang in das SGB und damit auch zu den
BAMF-geförderten Sprach- und Integrationskursen somit um mindestens einen
Monat. Ein Grund für diese Verzögerung liegt darin, weil die Ausländerbehörde
ab Juni 2022 keine Fiktionsbescheinigung mehr ohne eine erkennungsdienstliche
Behandlung ausstellen darf. Auch liegen zudem oftmals Ausweispapiere oder
Geburtsbescheinigungen nur in kyrillischer Schrift vor und müssen erst amtlich
übersetzt werden.
Bei allen bestehenden Schwierigkeiten und mitunter auch überraschenden
Entwicklungen, gesetzlichen Änderungen und vielen für Flüchtlinge neuen
Anträgen (beispielsweise Erziehungsgeld, Unterhaltsvorschuss, Wohngeld,
Kindergeld) steht der Fachbereich Soziales helfend zur Seite. Dieses ist auch
als Integration zu verstehen und kann aktuell mit folgenden Ressourcen
geschafft werden:
a) Durch den grundsätzlich möglichen Zugang
in das Sozialgesetzbuch – Zweites Buch steht im Rahmen der Sachbearbeitung /
Hilfegewährung ein Fallzahlenkorridor von 1 Vollzeitäquivalente für 95 bis 110
Fälle zur Verfügung. Trotz der Corona Krise gibt es hier wieder ein freies
Potential ohne die Belastungsgrenze zu überschreiten, bedingt durch die
insgesamt geringe Arbeitslosigkeit im Kreis Coesfeld. Auch hier unterscheidet
sich die aktuelle Flüchtlingskrise zu vorhergehenden, da früher in der Regel
ein monatelanger Verbleib im Leistungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes
normal war.
b) Für die weitergehende Vermittlung in
Sprach- und Integrationskurse sowie in den Arbeitsmarkt wird in Billerbeck ein
Fallmanagement mit den gleichen Gründen wie zu a) vorgehalten.
c) Darüber hinaus gibt es im SGB II weitere
Eingliederungsmöglichkeiten und Eingliederungsmaßnahmen in den Arbeitsmarkt,
welche beim Bezug von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht
zugänglich wären. Damit einher gehen auch Maßnahmen zur Feststellung von
psychischen Defiziten. Hier bringen weitere Bildungsträger wie zum Beispiel IBP
e.V., GEBA mBH, Kolping Bildungswerk, Handwerksbildungsstätten e.V.,
Havixbecker Modell e.V. weitere Personalressourcen ein.
d) Bezogen auf den Vertrag der sozialen
Betreuung von Flüchtlingen durch die DRK Flüchtlingsbetreuung wurde im Herbst
des letzten Jahres der Betreuungsvertrag um 2 weitere Jahre verlängert.
Ausgangslage war ein Betreuungsumfang von 40 Stunden pro Woche. Aufgrund der
Schwierigkeiten bei der Besetzung einer Teilzeitstelle beim DRK wurden
tatsächlich bis einschließlich März 2022 nur 30 Arbeitsstunden pro Woche
erfüllt. Ab April 2022 wird dieses Defizit mit wöchentlich 6 Stunden
zusätzlicher Arbeit (also insgesamt 46 Stunden pro Woche) bis in den Winter
2022 abgebaut.
e) Eine weitere neue Betreuungsmöglichkeit
wird sich durch den positiven Zuschlag im Rahmen des Kommunalen
Case-Managements ergeben. Danach werden kreisweit 6 weitere
Vollzeitäquivalenten auf gemeindlicher oder städtischer Ebene neu geschaffen.
Die Stundenaufteilung ist noch nicht abschließend ausgehandelt, dürfte für die
Stadt Billerbeck aber bei rd. 12 Stunden pro Woche liegen.
f) Über das Kommunale Integrationszentrum
(KI) des Kreises Coesfeld werden weitere Betreuungsstunden insbesondere für
Dolmetschertätigkeiten angefordert. Darüber hinaus ist das KI auch
Ansprechpartner beim städtischen Flüchtlingsnetzwerk. Bezogen auf
Übersetzungstätigkeiten leistet eine städtische Mitarbeiterin wertvolle Hilfe.
Unter Abwägung der noch ausstehenden und bisher noch nicht absehbaren
Entwicklungen auch unter dem zeitlichen Aspekt bleibt festzustellen, dass es
aktuell in Billerbeck ein gut aufgestelltes Netzwerk für die Flüchtlingsarbeit
gibt. Dieses betrifft sowohl den ehrenamtlichen als auch den professionellen
Part. Gleichwohl bleibt festzustellen, dass die aktuelle Lage für alle
Beteiligten sehr fordernd ist. Vieles geht vielleicht nicht sofort. Aber es
darf auch auf eine vorsichtige Entspannung der Lage in absehbarer Zeit gehofft
werden. Darüber hinaus kann festgestellt werden, dass im Vergleich zu früheren
Flüchtlingskrisen schon jetzt über den Fachbereich Soziales zusätzliche
Personalressourcen erschlossen werden.
Im Auftrag
Martin Struffert Marion
Dirks
Fachbereichsleiter Bürgermeisterin
Bezug: a) Sitzung des Rates der Stadt Billerbeck am 03.05.2022, TOP 13 ö. S.
b) Antrag der CDU Fraktion vom 27.03.2022
Anlagen:
Antrag der CDU
Fraktion vom 27.03.2022