Betreff
Versagtes gemeindliches Einvernehmen zum Antrag auf Errichtung einer Anlage für 39.900 Masthähnchen in Aulendorf
Vorlage
FBPB/257/2008
Art
Sitzungsvorlage

 Beschlussvorschlag für den Stadtentwicklungs- und Bauausschuss:

 

keiner


Sachverhalt:

 

In der o. g. Stadtentwicklungs- und Bauausschusssitzung wurde das gemeindliche Einvernehmen zur Errichtung der Hähnchenmastanlage in Aulendorf versagt.

 

In der Stellungnahme für die Bezirksregierung Münster wurde verwaltungsseitig ausgeführt, dass der Stall als privilegiertes Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB errichtet werden solle, es sich somit um eine bauliche Anlage handele, welche wegen ihrer besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen ihrer nachteiligen Wirkung auf die Umgebung bzw. wegen ihrer besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden solle. Im Flächennutzungsplan sei eine landwirtschaftliche Nutzung für diesen Bereich vorgesehen, es sei kein Landschaftsschutzgebiet oder Erholungsbereich ausgewiesen und die Erschließung sei gesichert. Trotzdem werde der gewählte Standort als so problematisch angesehen, dass das Einvernehmen nicht erteilt werden könne.

Der Standort liege in unmittelbarer Nähe zur Siedlung Aulendorf, welche in ihrem Mittelpunkt eine denkmalgeschützte Kapelle mit mehreren älteren Hofstellen aufweise. Zwar handele es sich hierbei nicht um einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil im Sinne des § 34 Abs. 4 Nr. 2 BauGB, doch bilde die Bebauung mit Kapelle, Gaststätte und Festplatz den Mittelpunkt eines dörflichen Lebens in der Bauernschaft. Zudem sei der Bereich auch aus Sicht des landschaftsbezogenen Tourismus und der Naherholung von großer Bedeutung; hier verlaufen mehrere überregionale Radwege (Schlösser- und Sandsteinroute sowie der R1), welche unmittelbar an der geplanten Stallanlage vorbeiführen. Zusätzlich befände sich ein unbeteiligtes Wohnhaus in nicht einmal 150 m Entfernung. Hier war früher eine Blaudruckerei untergebracht, welches noch an der blauen Fassade des Fachwerkgebäudes zu erkennen sei. Auch wenn diese verschiedenen Belange nicht in einer bauleitplanerischen Schutzausweisung festgelegt seien, widerspräche jedoch die Zulassung eines Vorhabens nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB den dort formulierten Voraussetzungen. Ein Vorhaben, welches wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung ausschließlich im Außenbereich ausgeführt werden könne, solle auch an einem Ort platziert werden, an dem diese Auswirkungen nicht ähnlich negative Effekte wie im städtischen Innenbereich hätten. Bei den Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB gehe es ja gerade um einen Auffangtatbestand für Vorhaben, die auf einen Außenbereichsstandort angewiesen seien, weil sie in im Zusammenhang bebauten Ortslagen mit den städtebaulichen Grundsätzen nicht vereinbar wären. Nach Auffassung der Stadt Billerbeck könne dies auch auf einzelne Bereiche im Außenbereich zutreffen. Es sollten nicht generell Vorhaben der Massentierhaltung verhindert werden, sondern diese nicht wahllos im Außenbereich zugelassen werden. Der eigentliche Sinn des § 35 BauGB, nämlich der Schutz des Außenbereiches, würde konterkariert. Die Voraussetzung der Privilegierung, dass die Durchführung des Vorhabens im Außenbereich gerade durch die besondere Eigenart des Vorhabens erforderlich werde, schränke auch die Wahl des Standortes im Außenbereich ein. Kriterien könnten dabei nicht nur die Immissionsbelastungen für Anwohner und Biotopschutz sein, sondern auch die Wahrung von Kulturgütern der Allgemeinheit im Sinne einer einmaligen bäuerlichen Dorfstruktur.

Zudem setze der Auffangtatbestand dieser gesetzlichen Regelung voraus, dass durch erhöhte Anforderungen an die im Gesetz umschriebenen Privilegierungsvoraussetzungen die Vorschrift auszugleichen sei. Diese erhöhten Anforderungen sollten vor einer unangemessenen Inanspruchnahme schützen, um den Außenbereich in der ihm vornehmlich zukommenden Funktion der Land- und Forstwirtschaft sowie der Erholung für die Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen (BVerwG, Beschl. v. 16.06.1994-4 C 20.93).

Die Stadt Billerbeck könne zwar keinen Planbereich für gewerbliche Tierhaltung zur Verfügung stellen und somit komme nur der Außenbereich für das Vorhaben in Frage. Es fehle jedoch an einer besonderen Begründung oder Beziehung zum gewählten Standort.  Weder liege dem Vorhaben eine eigene Futtergrundlage zu Grunde, noch würden Gülle oder Mist auf den umliegenden Flächen ausgebracht. Aufgrund der fehlenden Nähe zur Hofstelle des Betriebsleiters sei auch die bestehende Struktur des landwirtschaftlichen Betriebes kein Kriterium zur Standortwahl. Insofern sei das Vorhaben nicht auf den gewählten Standort angewiesen. Durch Flächentausch- oder -erwerb könne der Antragsteller einen konfliktärmeren Betriebsstandort wählen. Auch anderen Gewerbetreibenden würde zugemutet sich geeignete Flächen zu beschaffen.

 

Zusammenfassend gehe die Stadt Billerbeck davon aus, dass zwar grundsätzlich das Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB zugelassen werden könne, diese gesetzliche Privilegierung jedoch nicht automatisch dazu führe, dass an jeder Stelle des Außenbereichs ein solches Vorhaben zuzulassen sei. Insbesondere bei dem hier beantragten gewerblichen Stall für eine Massentierhaltung ohne betrieblichen Bezug zum gewählten Standort sei dem Schutz des Außenbereiches der Vorrang einzuräumen, da Belange wie der Schutz des Orts- und Landschaftsbildes entgegenstünden. Die örtlichen Besonderheiten, wie hier die Eigenart der Bauernschaft Aulendorf, führen dazu, dass der Standort nicht geeignet sei. 

 

Die Bezirksregierung Münster hat dazu wie folgt Stellung genommen. In Klammern sind von Seiten der Verwaltung Anmerkungen zu den einzelnen Punkten ergänzt worden.

 

Die Bezirksregierung Münster vertritt die Auffassung, dass nur aus den sich in § 36 BauGB abschließend aufgeführten Gründen das gemeindliche Einvernehmen versagt werden könne. Hierbei sei der gemeindliche Prüfungsumfang im Sinne von § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB auf den dort beschriebenen Umfang begrenzt. (Bei diesem Vorhaben die unter § 35 Bauen im Außenbereich aufgeführten Belange).

Somit sei eine planungsrechtliche Beurteilung des Vorhabens erforderlich. Es bestünde Einigkeit, dass das Vorhaben nach den Vorgaben des § 35 As. 1 Nr. 4 BauGB zu beurteilen sei. Das Grundstück befände sich im Außenbereich der Stadt Billerbeck. Der Flächennutzungsplan weise landwirtschaftliche Nutzung aus. Das Grundstück verfüge über keinen besonderen Schutzstatus.

 

Die Art der Nutzung (Tierintensivhaltung) sei durch die Stadt Billerbeck planungsrechtlich nicht einem anderen Gebiet zugeordnet worden. Ferner gehe die Art der Nutzung regelmäßig einher mit nicht unerheblichen Geruchsbelästigungen. Eine Ansiedlung in allgemeinen Gewerbegebieten komme daher nicht in Betracht. Grundsätzlich komme daher nur eine Ansiedlung im Außenbereich in Betracht.

 

Die Stadt Billerbeck ginge insbesondere auf die Standortwahl durch den Antragsteller ein. Hierbei würde deutlich, dass sie das Vorhaben nicht generell ablehne, sondern dessen Verwirklichung an dem beantragten Standort.

 

Eine intensive Prüfung der Argumente habe ergeben, dass die von der Stadt vorgetragenen Gründe ganz überwiegend nicht im Rahmen der Entscheidung gem. § 36 BauGB zu prüfen seien, sondern im Zulassungsverfahren durch die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbehörde. Die Versagung des gemeindlichen Einvernehmens sei somit rechtswidrig. Aus rein planungsrechtlicher Sicht sei das Einvernehmen nach Auffassung der Bezirksregierung Münster zwingend zu erteilen. Sie beabsichtige daher, das Einvernehmen nach § 2 Nr. 4 Abs. 1 Bürokratieabbaugesetz I zu ersetzen. Innerhalb eines Monats nach Zugang des Schreibens könne nun erneut über die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens entschieden werden. Nach heutigem Kenntnisstand habe sie keine Bedenken, das Vorhaben zu genehmigen.

 

Die zuständigen Fachbehörden seien im Verfahren beteiligt worden. Sowohl die Untere als auch die Höhere Landschaftsbehörde hätten keine Bedenken vorgetragen. Eine Beeinträchtigung der Nachbarn aus immissionsschutzrechtlicher Sicht sei ebenfalls nicht zu befürchten. Schließlich sehe sie keine nachteiligen Auswirkungen auf die Siedlung Aulendorf, auch unter dem Aspekt des Denkmalschutzes. Die Stellungnahmen der Fachbehörden seien insoweit eindeutig. Auch die von der Stadt thematisierte Frage der Standortwahl führe nicht zu einem anderen Ergebnis. Zum einen habe der Antragsteller die Wahl des Standortes nachvollziehbar begründet. Zum anderen sei über den konkreten Antrag und die Zulässigkeit des Vorhabens am beantragten Standort zu befinden. Möglicherweise andere Standorte seien nicht Gegenstand des Verfahrens.

 

 

Die Ausführungen der Bezirksregierung machen deutlich, dass es der Stadt Billerbeck obliegt, vornehmlich die planungsrechtlichen Belange zu beurteilen.

Gleichwohl stellt sich die Frage, ob sich die Bezirksregierung ausreichend mit den von der Stadt Billerbeck angesprochenen Punkten auseinander gesetzt hat. Als staatlich anerkannter Erholungsort ist der in § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB öffentliche Belang, nämlich der Schutz der natürlichen Eigenart der Landschaft und ihr Erholungswert sowie die Verunstaltung des Orts- und Landschaftsbildes in Bezug auf den konkreten Standort, im Schreiben der Bezirksregierung nicht gewürdigt worden. Verwaltungsseitig wird die Auffassung vertreten, dass der Beteiligung der Gemeinde auch im Hinblick auf die Anwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen und im Rahmen der Ausübung von Ermessen mit städtebaulicher Relevanz Bedeutung zukommt. Eine konkrete Auseinandersetzung mit diesen Punkten hat jedoch offenbar nicht stattgefunden oder wurde uns zumindest nicht mitgeteilt.

 

Es ist zu beraten, ob unter Berücksichtigung der Ausführungen der Bezirksregierung und der vorstehenden Ausführungen der Verwaltung an der Versagung des Einvernehmens festgehalten oder es erteilt werden soll.  

 

i. A.

           

 

 

Gerd Mollenhauer                             Marion Dirks

Fachbereichsleiter                           Bürgermeisterin


Bezug:      Sitzungen des Bezirksausschusses vom 28. August 2007, TOP 2. ö.S.,          und des Stadtentwicklungs- und Bauausschusses vom 11. September         2007, TOP 5 ö.S.

Höhe der tatsächl./voraussichtlichen Kosten:                                                             

 

Finanzierung durch Mittel bei der HHSt.:                                                                      

Über-/außerplanmäßige Ausgabe in Höhe von Euro:                                                

Finanzierungs-/Deckungsvorschlag: