hier: Zuschuss zum 49,00 € Ticket für tafelberechtigte Bürgerinnen und Bürger
Sachverhalt:
Der Rat der Stadt
Billerbeck hat den beigefügten Antrag der Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen
und SPD auf Bezuschussung zum 49 Euro Ticket für tafelberechtigte Bürgerinnen
und Bürger zur weiteren Beratung an den Haupt- und Finanzausschuss verwiesen.
Begründet wird der Antrag hauptsächlich damit, dass alle Leistungsbeziehenden
mit dem 49 Euro Ticket beliebig oft die Tafel in Coesfeld erreichen können
sollen, im Regelbedarf nach dem Sozialgesetzbuch für Mobilität oder Verkehr
aber nur ein Teilbetrag in Höhe von 45,02 € enthalten ist. Darüber hinaus könne
mit diesem Regelbedarfsteilbestandteil nur etwa 6 Hin- und Rückfahrten nach
Coesfeld finanziert werden.
Nach Auskunft der
Betriebsleitung der Tafel Coesfeld werden dort aktuell 87 Erwachsene und 63
Kinder als Kunden aus Billerbeck geführt. Diese kommen im Schnitt 1-mal pro
Woche. Anspruchsberechtigt sind Leistungsbeziehende nach dem Sozialgesetzbuch –
Zweites Buch (SGB II), Sozialgesetzbuch – Zwölftes Buch (SGB XII),
Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) und sonstige Personen mit einem Einkommen
bis zu 1.039,00 € monatlich (zum Beispiel Rentenbeziehende). Belastbare Zahlen,
wieviel Personen zu welcher der vorgenannten Personengruppen gehören, liegen
nicht vor.
Rechnerisch könnte
ein etwaiger Fahrtbedarf nach Coesfeld durch den Regelbedarf bei
durchschnittlich rd. 4 tatsächlich durchgeführten Hin- und Rückfahrten mit
Einzeltickets durchaus gedeckt werden. Darüber hinaus gibt es für die
Leistungsbeziehenden zusätzliche preiswertere Abotickets über das sogenannte
MobiTicket der Regionalverkehr Münsterland GmbH wie folgt für beliebig viele
Fahrten:
-
„Fun
Abo“ für Kinder und Jugendliche von 6 bis 20 Jahren im Netz Münsterland für
8,30 € pro Monat
-
„60plusAbo“
für Personen ab 60 Jahren im Netz Münsterland für 29,00 € pro Monat (oder für
23,25 € pro Monat nur im Kreis Coesfeld)
-
„9
Uhr Abo“ für sonstige Personen für 26,20 € pro Monat nach Coesfeld (oder für
33,45 € pro Monat im „Abo“ + rund um die Uhr)
Den Zuschuss von
3,98 € pro Monat mit der Anbindung an die Tafel zu begründen wäre aus Sicht der
Verwaltung somit nicht stichhaltig. Weiterhin wäre hier zu berücksichtigen,
dass ein Zuschuss von 3,98 € für leistungsberechtigte Kinder nicht ausreichend
ist um sich ein 49 Euro Ticket kaufen zu können, da der Regelbedarfsbestandteil
für Kinder deutlich unter dem Wert von 45,02 € liegt. Der monatliche
Zuschussbedarf bei den aktuellen 150 Tafelbesuchern läge bei rund (87 x 3,98 =
346,00 für Erwachsene zuzüglich 63 x 26,00 = 1.638,00 für Kinder =) 1.984,00 €
pro Monat.
Nicht eingerechnet
ist hier der erhebliche Verwaltungsaufwand, der beispielweise durch die
Einzelabrechnungen, Nachweis der Tafelteilnahmen, Datenschutz pp. entstehen
würde.
Wenn die
Zuschussdiskussion allerdings unabhängig von der Fahrt zur Tafel geführt werden
soll, da es Anliegen ist, dass jeder Leistungsbeziehende die Möglichkeit haben
sollte, sich ein 49 Euro Ticket leisten zu können, muss deutlich gesagt werden,
dass die Zusammensetzung und Verwendung der Regelbedarfe nicht kommunale Aufgabe
ist. Die Festsetzung von Regelbedarfen obliegt alleine dem Bund, die Verwendung
alleine dem Leistungsempfänger. Losgelöst von oben genannten rd. 150
Tafelbesuchern müssten dann alle Leistungsbeziehenden (Stand Mai 2023 = 724
Personen zuzüglich der nicht bekannten Anzahl an Einkommensbezieher unter
1.039,00 €) einen monatlichen Zuschuss erhalten. Dann würde eine Bezuschussung
von 3,98 € aber auch nur bei Alleinstehenden rechnerisch ausreichen, nicht aber
bei Kindern, bei denen der Regelbedarfsbestandteil für Verkehr statt bei 45,02
€ nur bei rd. 23,00 € monatlich liegt (siehe oben).
Die monatlichen und
nach Lebenssituation und Alter der Personen unterschiedlichen Regelbedarfe
werden anhand der durchschnittlichen Verbrauchsausgaben einkommensschwacher
Haushalte ermittelt. Bei dem sich daraus im Einzelfall ergebenden Regelsatz
insgesamt handelt es sich um das tatsächlich zur Verfügung stehende monatliche
Regelbedarfsbudget. Dabei ist nicht von Bedeutung, ob die für den jeweiligen
konkreten Verwendungszweck berücksichtigten durchschnittlichen
Verbrauchsausgaben ihrer Höhe nach als ausreichend anzusehen sind.
Durchschnittliche einzelne Verbrauchsausgaben können nur zufällig der dafür im
konkreten Einzelfall tatsächlich für den jeweiligen Verwendungszweck entstehenden
Ausgabenhöhe entsprechen. Dies ergibt sich schon daraus, dass die
berücksichtigten durchschnittlichen Verbrauchsausgaben nicht in jedem Monat in
konstanter Höhe anfallen. Auch fallen nicht alle Verbrauchsausgaben monatlich
an.
Bedeutsam ist
ausschließlich, ob das ermittelte Budget insgesamt dafür ausreicht, die zur
Deckung der vom Gesetzgeber als existenznotwendig angesehenen Bedarfe zu
decken. Zusätzlich ist zu beachten, dass die in die Regelbedarfe eingehenden
durchschnittlichen Verbrauchsausgaben keine Vorgabe oder Verpflichtungen für
die konkrete Verwendung beinhalten. So ergibt sich beispielsweise aus den in
die Höhe der Regelbedarfe eingehenden durchschnittlichen Verbrauchsausgaben bei
Regelbedarfsstufe 1 für Mobilität und Verkehr in Höhe von 45,02 € nicht, wie
viel die Leistungsbeziehenden für diesen Teilbedarf ausgeben „dürfen“ oder
„müssen“. Dies unterliegt persönlichen Präferenzen ebenso wie Entscheidungen
für die Verwendung des Gesamtbudgets.
Der Regelbedarf
enthält keine Vorgaben für die Leistungsbezieher, wofür sie ihr Budget
ausgeben. Die Leistungsberechtigten können eigenverantwortlich über die
konkrete Verwendung der Leistungen entscheiden. Sie können daher aus dem ihnen
zur Verfügung stehenden Budget - wie andere Haushalte auch - für einzelne
Bedarfe mehr Geld ausgeben, müssen dann jedoch bei anderen Bedarfen stärker
Zurückhaltung üben. Zur Verdeutlichung kann folgendes Beispiel dienen. Ein
weiterer Bestandteil des Regelbedarfes wäre ein Anteil für Post und
Telekommunikation in Höhe von mtl. 44,88 €. Ohne den Hilfeempfänger bevormunden
zu wollen, könnte dieser auch mit einem Handyvertrag von 12,00 € zufrieden
sein, und somit das so „Ersparte“ für das für ihn als wichtiger angesehene 49
Euro Ticket verwenden.
Eine Erhöhung des
Regelbedarfs allgemein scheidet aus kommunaler Sicht somit ebenfalls aus.
Weil sich die
Leistungen der Sozialhilfe an den Besonderheiten des Einzelfalls zu orientieren
haben, müssen auch besondere Fallkonstellationen berücksichtigt werden. So wird
in bestimmten Ausnahmefällen von der Pauschalierung der Regelbedarfe
abgewichen. Dies nennt man im SGB XII abweichende Regelsatzfestsetzung. Der
individuelle Regelsatz wird abweichend festgesetzt, wenn im Einzelfall für eine
Dauer von mehr als einem Monat der Bedarf erheblich über dem durchschnittlichen
Bedarf liegt und diese Mehraufwendungen begründbar nicht anderweitig gedeckt
werden können (Abweichung nach oben). Im Bürgergeld gibt es eine entsprechende
Regelung, wonach bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt wird,
soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger
besonderer Bedarf besteht.
Aufgrund der
geringen Differenz von 3,98 € liegt hier ein solcher Regelungsfall jedoch nicht
vor.
Letztlich wäre noch
zu klären, inwieweit ein zusätzliches Einkommen bei der Berechnung der
Hilfehöhe zu berücksichtigen ist. Es besteht die grundsätzliche Regelung, dass
alle Zuflüsse in Geld als Einkünfte im Rahmen der Selbsthilfe einzusetzen sind.
Eine generelle
Aussage dazu, ob ein freiwilliger Zuschuss oder eine freiwillige Zuwendung (zum
Beispiel durch Kommune, Caritas oder sonstigen Einrichtungen) darüber hinaus im
Einzelfall im Sozialhilferecht als bedarfsmindernd berücksichtigt werden muss
oder nicht, kann jedoch nicht gegeben werden. Diese Entscheidung ist jeweils im
Einzelfall zu prüfen und ist auch davon abhängig, wie hoch die freiwilligen
Zuwendungen in der Summe im Hilfefall insgesamt sind.
In dem Antrag wird
davon ausgegangen, dass eine etwaige Bezuschussung zumindest bis zur Einführung
des 29 € Münsterland Tickets angedacht ist. Mittlerweile ist jedoch bekannt,
dass es zur Einführung eines Münsterland Tickets zurzeit nicht kommen wird. Ob
und inwieweit das Land NRW noch weitergehende Sonderförderungen zum 49 Euro
Ticket im ÖPNV plant ist aktuell nicht bekannt. Insgesamt kann somit auch keine
Aussage zu einem Zuschusszeitraum gegeben werden.
Aus Sicht der
Verwaltung kann als Beschlussvorschlag für den Rat insgesamt nur die Ablehnung
des Antrages empfohlen werden.
Im Auftrag
Martin Struffert Marion
Dirks
Fachbereichsleiter Bürgermeisterin
Anlagen:
Antrag vom
15.02.2023