Betreff
Gemeinsamer Antrag der Fraktion Bündnis90/Die Grünen und SPD vom 15.02.2023
hier: Zuschuss zum 49,00 € Ticket für tafelberechtigte Bürgerinnen und Bürger
Vorlage
FB50/0095/2023
Art
Sitzungsvorlage

 Beschlussvorschlag:                 Beschlussvorschlag für den Rat:

 

Der Antrag auf Bezuschussung von 3,98 € für alle Bürgerinnen und Bürger in Billerbeck, die berechtigt sind zur Tafel zu gehen, wird abgelehnt.

 


Sachverhalt:

 

Der Rat der Stadt Billerbeck hat den beigefügten Antrag der Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und SPD auf Bezuschussung zum 49 Euro Ticket für tafelberechtigte Bürgerinnen und Bürger zur weiteren Beratung an den Haupt- und Finanzausschuss verwiesen. Begründet wird der Antrag hauptsächlich damit, dass alle Leistungsbeziehenden mit dem 49 Euro Ticket beliebig oft die Tafel in Coesfeld erreichen können sollen, im Regelbedarf nach dem Sozialgesetzbuch für Mobilität oder Verkehr aber nur ein Teilbetrag in Höhe von 45,02 € enthalten ist. Darüber hinaus könne mit diesem Regelbedarfsteilbestandteil nur etwa 6 Hin- und Rückfahrten nach Coesfeld finanziert werden.

 

Nach Auskunft der Betriebsleitung der Tafel Coesfeld werden dort aktuell 87 Erwachsene und 63 Kinder als Kunden aus Billerbeck geführt. Diese kommen im Schnitt 1-mal pro Woche. Anspruchsberechtigt sind Leistungsbeziehende nach dem Sozialgesetzbuch – Zweites Buch (SGB II), Sozialgesetzbuch – Zwölftes Buch (SGB XII), Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) und sonstige Personen mit einem Einkommen bis zu 1.039,00 € monatlich (zum Beispiel Rentenbeziehende). Belastbare Zahlen, wieviel Personen zu welcher der vorgenannten Personengruppen gehören, liegen nicht vor.

 

Rechnerisch könnte ein etwaiger Fahrtbedarf nach Coesfeld durch den Regelbedarf bei durchschnittlich rd. 4 tatsächlich durchgeführten Hin- und Rückfahrten mit Einzeltickets durchaus gedeckt werden. Darüber hinaus gibt es für die Leistungsbeziehenden zusätzliche preiswertere Abotickets über das sogenannte MobiTicket der Regionalverkehr Münsterland GmbH wie folgt für beliebig viele Fahrten:

-       „Fun Abo“ für Kinder und Jugendliche von 6 bis 20 Jahren im Netz Münsterland für 8,30 € pro Monat

-       „60plusAbo“ für Personen ab 60 Jahren im Netz Münsterland für 29,00 € pro Monat (oder für 23,25 € pro Monat nur im Kreis Coesfeld)

-       „9 Uhr Abo“ für sonstige Personen für 26,20 € pro Monat nach Coesfeld (oder für 33,45 € pro Monat im „Abo“ + rund um die Uhr)

 

Den Zuschuss von 3,98 € pro Monat mit der Anbindung an die Tafel zu begründen wäre aus Sicht der Verwaltung somit nicht stichhaltig. Weiterhin wäre hier zu berücksichtigen, dass ein Zuschuss von 3,98 € für leistungsberechtigte Kinder nicht ausreichend ist um sich ein 49 Euro Ticket kaufen zu können, da der Regelbedarfsbestandteil für Kinder deutlich unter dem Wert von 45,02 € liegt. Der monatliche Zuschussbedarf bei den aktuellen 150 Tafelbesuchern läge bei rund (87 x 3,98 = 346,00 für Erwachsene zuzüglich 63 x 26,00 = 1.638,00 für Kinder =) 1.984,00 € pro Monat.

Nicht eingerechnet ist hier der erhebliche Verwaltungsaufwand, der beispielweise durch die Einzelabrechnungen, Nachweis der Tafelteilnahmen, Datenschutz pp. entstehen würde.

 

 

Wenn die Zuschussdiskussion allerdings unabhängig von der Fahrt zur Tafel geführt werden soll, da es Anliegen ist, dass jeder Leistungsbeziehende die Möglichkeit haben sollte, sich ein 49 Euro Ticket leisten zu können, muss deutlich gesagt werden, dass die Zusammensetzung und Verwendung der Regelbedarfe nicht kommunale Aufgabe ist. Die Festsetzung von Regelbedarfen obliegt alleine dem Bund, die Verwendung alleine dem Leistungsempfänger. Losgelöst von oben genannten rd. 150 Tafelbesuchern müssten dann alle Leistungsbeziehenden (Stand Mai 2023 = 724 Personen zuzüglich der nicht bekannten Anzahl an Einkommensbezieher unter 1.039,00 €) einen monatlichen Zuschuss erhalten. Dann würde eine Bezuschussung von 3,98 € aber auch nur bei Alleinstehenden rechnerisch ausreichen, nicht aber bei Kindern, bei denen der Regelbedarfsbestandteil für Verkehr statt bei 45,02 € nur bei rd. 23,00 € monatlich liegt (siehe oben).

 

Die monatlichen und nach Lebenssituation und Alter der Personen unterschiedlichen Regelbedarfe werden anhand der durchschnittlichen Verbrauchsausgaben einkommensschwacher Haushalte ermittelt. Bei dem sich daraus im Einzelfall ergebenden Regelsatz insgesamt handelt es sich um das tatsächlich zur Verfügung stehende monatliche Regelbedarfsbudget. Dabei ist nicht von Bedeutung, ob die für den jeweiligen konkreten Verwendungszweck berücksichtigten durchschnittlichen Verbrauchsausgaben ihrer Höhe nach als ausreichend anzusehen sind. Durchschnittliche einzelne Verbrauchsausgaben können nur zufällig der dafür im konkreten Einzelfall tatsächlich für den jeweiligen Verwendungszweck entstehenden Ausgabenhöhe entsprechen. Dies ergibt sich schon daraus, dass die berücksichtigten durchschnittlichen Verbrauchsausgaben nicht in jedem Monat in konstanter Höhe anfallen. Auch fallen nicht alle Verbrauchsausgaben monatlich an.

Bedeutsam ist ausschließlich, ob das ermittelte Budget insgesamt dafür ausreicht, die zur Deckung der vom Gesetzgeber als existenznotwendig angesehenen Bedarfe zu decken. Zusätzlich ist zu beachten, dass die in die Regelbedarfe eingehenden durchschnittlichen Verbrauchsausgaben keine Vorgabe oder Verpflichtungen für die konkrete Verwendung beinhalten. So ergibt sich beispielsweise aus den in die Höhe der Regelbedarfe eingehenden durchschnittlichen Verbrauchsausgaben bei Regelbedarfsstufe 1 für Mobilität und Verkehr in Höhe von 45,02 € nicht, wie viel die Leistungsbeziehenden für diesen Teilbedarf ausgeben „dürfen“ oder „müssen“. Dies unterliegt persönlichen Präferenzen ebenso wie Entscheidungen für die Verwendung des Gesamtbudgets.

Der Regelbedarf enthält keine Vorgaben für die Leistungsbezieher, wofür sie ihr Budget ausgeben. Die Leistungsberechtigten können eigenverantwortlich über die konkrete Verwendung der Leistungen entscheiden. Sie können daher aus dem ihnen zur Verfügung stehenden Budget - wie andere Haushalte auch - für einzelne Bedarfe mehr Geld ausgeben, müssen dann jedoch bei anderen Bedarfen stärker Zurückhaltung üben. Zur Verdeutlichung kann folgendes Beispiel dienen. Ein weiterer Bestandteil des Regelbedarfes wäre ein Anteil für Post und Telekommunikation in Höhe von mtl. 44,88 €. Ohne den Hilfeempfänger bevormunden zu wollen, könnte dieser auch mit einem Handyvertrag von 12,00 € zufrieden sein, und somit das so „Ersparte“ für das für ihn als wichtiger angesehene 49 Euro Ticket verwenden.

Eine Erhöhung des Regelbedarfs allgemein scheidet aus kommunaler Sicht somit ebenfalls aus.

 

Weil sich die Leistungen der Sozialhilfe an den Besonderheiten des Einzelfalls zu orientieren haben, müssen auch besondere Fallkonstellationen berücksichtigt werden. So wird in bestimmten Ausnahmefällen von der Pauschalierung der Regelbedarfe abgewichen. Dies nennt man im SGB XII abweichende Regelsatzfestsetzung. Der individuelle Regelsatz wird abweichend festgesetzt, wenn im Einzelfall für eine Dauer von mehr als einem Monat der Bedarf erheblich über dem durchschnittlichen Bedarf liegt und diese Mehraufwendungen begründbar nicht anderweitig gedeckt werden können (Abweichung nach oben). Im Bürgergeld gibt es eine entsprechende Regelung, wonach bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt wird, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht.

Aufgrund der geringen Differenz von 3,98 € liegt hier ein solcher Regelungsfall jedoch nicht vor.

 

 

Letztlich wäre noch zu klären, inwieweit ein zusätzliches Einkommen bei der Berechnung der Hilfehöhe zu berücksichtigen ist. Es besteht die grundsätzliche Regelung, dass alle Zuflüsse in Geld als Einkünfte im Rahmen der Selbsthilfe einzusetzen sind. 

Eine generelle Aussage dazu, ob ein freiwilliger Zuschuss oder eine freiwillige Zuwendung (zum Beispiel durch Kommune, Caritas oder sonstigen Einrichtungen) darüber hinaus im Einzelfall im Sozialhilferecht als bedarfsmindernd berücksichtigt werden muss oder nicht, kann jedoch nicht gegeben werden. Diese Entscheidung ist jeweils im Einzelfall zu prüfen und ist auch davon abhängig, wie hoch die freiwilligen Zuwendungen in der Summe im Hilfefall insgesamt sind.

 

 

In dem Antrag wird davon ausgegangen, dass eine etwaige Bezuschussung zumindest bis zur Einführung des 29 € Münsterland Tickets angedacht ist. Mittlerweile ist jedoch bekannt, dass es zur Einführung eines Münsterland Tickets zurzeit nicht kommen wird. Ob und inwieweit das Land NRW noch weitergehende Sonderförderungen zum 49 Euro Ticket im ÖPNV plant ist aktuell nicht bekannt. Insgesamt kann somit auch keine Aussage zu einem Zuschusszeitraum gegeben werden.

 

 

Aus Sicht der Verwaltung kann als Beschlussvorschlag für den Rat insgesamt nur die Ablehnung des Antrages empfohlen werden.

 

 

 

Im Auftrag

 

 

 

 

Martin Struffert                                                                                              Marion Dirks

Fachbereichsleiter                                                                                         Bürgermeisterin

 

 

 


Bezug:           

 

Höhe der tatsächl./voraussichtlichen Kosten:                                                                                                     

 

Finanzierung durch Mittel bei der HHSt.:                                                                                                             

Über-/außerplanmäßige Ausgabe in Höhe von Euro:                                                                                       

Finanzierungs-/Deckungsvorschlag:                                                                                                                        


 


Anlagen:

 

Antrag vom 15.02.2023