Betreff
Bürgeranregung gem. § 24 GO NRW vom 30.11.2022
hier: isolierte Positiv-Planung nach § 245 e BauGB (neu) zur Ausweisung eines Windgebietes in der Region Hamern und Gantweg
Vorlage
FBPB/1869/2023
Art
Sitzungsvorlage

 Beschlussvorschlag:                 Beschlussvorschlag für den Rat:

 

Die Verwaltung wird beauftragt die Bürgeranregung im Rahmen der weiteren Beratungen zur Schaffung weiterer Standorte für Windkraftanlagen mit aufzubereiten.


Sachverhalt:

 

Die Bürgeranregung zur Prüfung einer sofortigen isolierten Positiv-Planung ist, unabhängig von städtebaulichen Belangen, zunächst eine juristische Frage.

 

Da es sich um eine neue Rechtsmaterie handelt, die auch bei den Genehmigungsbehörden und den Planungsbüros bisher weitestgehend unbekannt ist, wurde Herr Rechtsanwalt Tyczewski (Wolter Hoppenberg, Münster) gebeten eine rechtliche Einschätzung abzugeben, da dieser auch die Konzentrationszonenplanung im Jahr 2017 begleitet hat. Die Ausführungen sind als Anlage beigefügt.

 

Vorausgeführt sei hier erwähnt, dass das Münsterland nach momentaner Einschätzung bereits heute die von der Bundesregierung vorgegebenen Flächenzielwerte, welche von der Landesregierung auf die Planungsregionen heruntergebrochen werden, erreicht hat. Die rechtlichen Sanktionen für Kommunen, die bisher zu wenig Windenergie zugelassen haben, greifen daher nur noch so lange, bis die Regionalplanung das Erreichen festgestellt hat.

 

Im Ergebnis der Ausführungen wäre vermutlich eine ergänzende Positivplanung nach § 245 e BauGB (ab 1.02.2023) insofern zeitlich problematisch, da sie an einen wirksamen Konzentrationszonenplan anknüpft. Aufgrund absehbarer umfangreicher zu prüfender Belange und der Selbsteinschätzung in der Bürgeranregung ist es unrealistisch, dass eine solche Planung vor dem Sommer 2024 beschlossen werden könnte. Zeitlich würde zudem eine Genehmigungsphase durch die Bezirksregierung von bis zu drei Monaten folgen.

Mit dem Inkrafttreten des Regionalplanes, der für das Frühjahr 2024 angekündigt ist, endet kraft Gesetz auch die Ausschlusswirkung und damit auch die Möglichkeit        einer auf § 245 e BauGB gestützten Ergänzungsplanung.

 

Da die Bezirksregierung gedenkt keine neuen Flächen als Windenergiebereich in den Regionalplan aufzunehmen, bliebe auch nach Außerkrafttreten der Konzentrationszonenplanung die Positivplanung nach § 249 Abs. 4 BauGB (gültig ab 1.2.2023). Dazu würde der Flächennutzungsplan geändert und durch die Darstellung einer Baufläche S ergänzt. Die nicht mehr existierende Konzentrationszonenplanung und das Erreichen des Flächenbeitragswertes stehen einer solchen Planung nicht entgegen. Vermutlich spielt es für die Antragsteller auch keine grundsätzliche Rolle nach welchem Paragraphen eine Planung erfolgt. Die Einstellung aller Belange und eine Gesamtabwägung ist Inhalt eines solchen Planungsprozesses. Ob und wenn ja wo neue Flächen ausgewiesen werden, müsste dabei in einem für alle Bürger transparenten Prozess erfolgen und nicht auf Zuruf.  

 

In der Bürgeranregung wird weitere Anmerkungen und Fragestellungen aufgeworfen, die auch im Hinblick auf gesamtstädtische Fragen von Bedeutung sind und daher an dieser Stelle durchaus diskutiert werden sollten.

 

Ziel der Bundesregierung ist eine über das gesamte Land verteilte Versorgung mit Windenergie sicherzustellen, da heute in einigen Landesteilen kaum Windenergie erzeugt wird. Wenn die gesetzlich vorgegebenen Flächenwerte erreicht sind, verlieren WEA im Außenbereich ihre privilegierte Zulässigkeit. Daran ist zu erkennen, dass an die dann zusätzlich ermöglichten Flächen erhöhte Anforderungen zu stellen sind. Es ist nicht gewünscht auf alle Flecken Deutschlands, auf denen die Immissionswerte eingehalten werden können, WEA zu bauen. Die Bundesregierung möchte eine möglichst gleichmäßige Verteilung der WEA. Zum einen um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu sichern, entscheidend dürfte jedoch auch die Vermeidung von unnötigen Netzausbaukosten sein und der Wunsch die Energie möglichst dort zu erzeugen wo sie gebraucht wird. Daher ist bei einer Ausweisung von Flächen, die Frage was mit Energie nach Erreichen des Flächenbeitragswertes passiert, von erheblicher Bedeutung. Anlagen, welche zwangsabgeschaltet keine Funktion erfüllen oder hohe Netzausbaukosten verursachen, sind dabei gesamtgesellschaftlich nicht wünschenswert.

 

Hinzukommt, dass die Kommunen gehalten sind im Sinne des Allgemeinwohls zu handeln. Die Versorgungssicherheit mit Energie, aber auch der Klimaschutz haben dabei eine herausragende Bedeutung. Im Interesse der Bevölkerung ist aber auch: ein verträglicher Ausbau nach transparenten Kriterien, keine komplette Verspagelung der Landschaft, Mindeststandards beim Artenschutz, Beibehaltung des Konzentrationsgedankens und Erhalt besonderer Ruhe- und Erholungsbereiche, sofern es an anderen Stellen im Gemeindegebiet ausreichende Flächen gibt. Zu beachten ist, dass Billerbeck als staatlich anerkannter Erholungsort auch maßgebliche Wirtschaftsleistungen aus dem Tourismus erfährt und dies als Belang daher von besonderer Bedeutung ist. Beteiligungsmodelle von denen alle Bürger profitieren sollten bei neuen Flächen selbstverständlich sein. Gerade letzterer Punkt wird von den jetzigen Initiativen besonders herausgestellt. Hier stellen sich jedoch zwei gravierende Fragen. Sollte nicht generell eine Vorgabe gemacht werden, schließlich wird sich bei Erreichen des o.g. Flächenwertes die Privilegierung von Windkraftanalgen erledigt haben, so dass der Rat die Möglichkeit einer Bestimmung haben sollte und des Weiteren wie lässt sich eine solche Forderung umsetzen? Beste Möglichkeit wäre ein Bürgerenergiegesetz, wie in Mecklenburg-Vorpommern, welches auch für NRW angekündigt ist. Unabhängige Planer empfehlen darauf zu warten, denn dann ist das kein Kriterium oder „good will“ mehr, sondern rechtliche Vorgabe, die auch keines weiteren Vertragswerkes mehr bedarf.

 

Auch die Frage wie es zu beurteilen ist, wenn eine große Menge interessierter Flächeneigentümer und Nachbarn mitmachen möchten, bzw. die Planung befürwortet, sollte bei zusätzlichen Flächen Grundvoraussetzung sein. Die Abwägung im Rahmen der Bauleitplanung ist jedoch nur dann mängelfrei, wenn gleichartige Kriterien angelegt werden und nicht eine kaum zu fassenden Anzahl Betroffener. Je nach Lage im Raum sind Menschen dichter dabei oder weiter weg betroffen.

 

Konkret auf die zu beachtenden Belange der Fläche Hamern_Gantweg im Folgenden noch einige inhaltliche Ergänzungen.

Bezüglich des Artenschutzes sei hier nur angemerkt, dass von einer Betroffenheit windenergiesensibler Arten auszugehen ist. Ob diese einer Ausweisung entgegenstehen würde, kann hier offengelassen werden. Im Falle solch sensibler Fragestellungen hat die Stadt Billerbeck in der Vergangenheit selber Aufträge zur Prüfung erteilt. Dies war beim Gebiet Kentrup in Bezug auf die Rohrweihe so oder in Osthellermark zum Immissionsschutz der nah gelegenen Wohnhäuser. Die Prüfung der Plausibilität und Ergebnisse erfolgt dann durch die Fachbehörden, da die Stadt Billerbeck selber nicht über eine diesbezügliche Expertise verfügt. Zurzeit stimmt das Land einen neuen Leitfaden innerhalb der Landesbehörden und Ministerien ab. Zum Frühjahr soll er bekannt gegeben werden und dient dann als Grundlage solcher Prüfungen.

 

Die im Antrag vorgegebene Zeitschiene ignoriert den demokratischen Prozess einer Bauleitplanung. Die Einstellung aller Belange und Beteiligung der Öffentlichkeit und der Fachbehörden sind wichtige Bestandteile eines solchen Planungsprozesses. Letztendlich können dort erlangte Erkenntnisse sogar zu einem Ende eines Planungsprozesses führen.

 

Der Rat der Stadt Billerbeck hat 2017 in seiner abschließenden Abwägung den Flächennutzungsplan zur Steuerung der Windkraftanlagen beschlossen und damit den Weg für zusätzliche Windkraftanlagen in Billerbeck geschaffen. Damit wurde zeitgleich mit Coesfeld, viel früher als in anderen Kommunen des Kreises, durch Neuplanung der Windkraft substanziell Raum gegeben. So gab es im September 2022 immer noch in vier Kommunen des Kreises kein einziges Windrad und in etlichen nur sehr wenige. Diese nun als Vorbild in Sachen Planungsrecht anzuführen ist nicht zielführend.

Insbesondere aufgrund der starken Zersiedelung des Außenbereichs von Billerbeck sind als geeignete und ausreichend große Potentialflächen nur fünf Flächen identifiziert worden. Eine davon war die Fläche Hamern_Gantweg, die jedoch im Rahmen der damaligen Abwägung ausgeschlossen wurde. In der Bürgeranregung wird der Ausschluss dieser Fläche nicht nachvollzogen, obwohl dieser in der Begründung zum Flächennutzungsplan ausführlich begründet ist. Das mangelnde Ergebnisse der eigenen Visualisierung verdeutlicht die fehlende Auseinandersetzung mit den dort beschriebenen Punkten und die falsche Perspektive, die offensichtlich eingenommen wurde.

In der fachlichen Stellungnahme des LWL wurde verdeutlicht, dass WEA im Bereich Hamern_Gantweg von vielen Standorten, insbesondere von Süden hinter der Stadtsilhouette sichtbar wären. Fachlich heißt es wörtlich: „Die WEA führen aufgrund ihrer vertikal aufragenden und weithin sichtbaren Struktur zu einer technischen Überprägung der Landschaft. Durch das geplante Windfeld treten die Windenergieanlagen auf Grund ihrer Dominanz in den Vordergrund bzw. in Konkurrenz zu den beiden Kirchtürmen. Der Blick des Betrachters wird auf die WEA gelenkt. Dadurch ist die visuelle Anziehungskraft und Integrität der Kirchtürme nachhaltig gefährdet. Dies führt zu einer erheblichen Beeinträchtigung des historischen Zeugniswertes und damit zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Denkmalwertes.“ Im Kulturlandschaftlichen Fachbeitrag zum Regionalplan Münsterland wird die Stadtsilhouette Billerbecks als einzigartig für Westfalen/Lippe bezeichnet. Wörtlich heißt es: „Aufgrund dieser Solitärstellung verdient Billerbeck Stadtsilhouette höchsten Schutz auch über die Stadtgrenzen hinaus.“

Die Kirchturmspitzen liegen ungefähr auf einer NHN Höhe von 215 m, die Gesamthöhe der geplanten WEA im Bereich Gantweg wären bis zu 400 m über NHN.

Jedem der die Wirkung nicht nachvollziehen kann sei eine Wanderung über die Höhenzüge des Königswegs/Napoleonweges von Lutum bis zur Beerlager Straße angeraten. Sie lässt sich teilweise auch mit dem Auto fahren. Dabei ist zu bedenken, dass die Anlagen in weniger als 2 km Entfernung zum Ortsrand lägen und dabei viermal so hoch wie der Schornstein im Industriegebiet Hamern über die Stadt ragen würden. Im Vergleich, die Anlagen Risauer Berg sind ca.  6 km (Höhe NHN = ca. 320 m) entfernt und lassen schon eine Überprägung erkennen.

 

Das Stadtbild Billerbecks hat einen hohen Identifikationswert. Als Vereinsemblem, auf Firmenprospekten oder auch bei öffentlichen Institutionen finden sich auf den Internetseiten verschiedenste Perspektiven, welche die Kirchtürme in ihrer Dominanz im Tal zeigen. Es ist ein beliebtes Postkartenmotiv und selbst die Familien der Antragsteller nutzen die durch die Bäume sichtbaren Domtürme um ohne Worte zu zeigen woher sie kommen. Bewusst oder unbewusst ist für viele Billerbecker durch diese einmalige Perspektive ein verbindendes Element geschaffen worden.

 

In der Vergangenheit wurde bei zahlreichen Projekten den Antragstellern eine Berücksichtigung des Stadtbildes bei der eigenen Planung abverlangt. Ob es die farbliche Gestaltung und starke Höhenbeschränkung des Futtermittelherstellers an der Industriestraße oder die Selbstverpflichtung mit einer Höhenbegrenzung für die Windkraftanlagen Osthellermark ist.

 

Durch Windkraftanlagen an beantragter Stelle würde das Stadtbild auf 2/3 des die Stadt umgebenden Höhenzuges zerstört. Dieses Opfer kann nicht durch einige Familien von Eigentümern oder interessierten Investoren erbracht werden, sondern ist eine Frage, die durch die Gesamtstadt beantwortet werden muss. Die Berücksichtigung dieses Kulturgutes bedarf einer grundlegenden Auseinandersetzung und darf nicht unter einem vermeintlichen Zeitdruck ignoriert werden.

 

Zusätzlich ist der angeregte Bereich einer der wichtigsten Naherholungsbereiche Billerbecks. Grundsätzlich ist es kein Hinderungsgrund entlang von Radrouten oder Wanderwegen WEA zu errichten. Dies kommt in Billerbeck an allen Windzonen vor. In einem Gebiet mit einer heute hohen Aufenthaltsqualität und hoher Nutzungsintensität, wie im Bereich der sog. Ewigkeit, ist die notwendige Durchschneidung der Landschaft für die Erschließung der Windkraftanlagen an der Richtung Westen hängigen weit einsehbaren Lage und die späteren Lärmimmissionen jedoch durchaus von erheblicher Bedeutung. Auch hier sind die Belange der Gesamtstadt zu betrachten.

 

Im Ergebnis wird abzuwägen sein, ob die Notwendigkeit an dieser Stelle zusätzliche WEA zu errichten wichtiger sind als die betroffenen Belange. Zum einen bedeutet dies sich darüber im Klaren zu werden, ob es wichtig und sinnvoll ist einen höheren Flächenbeitragswert zu liefern als gesetzlich gefordert und wenn ja, ob es andere Flächen in Billerbeck gibt, welche weniger starke Belange betreffen.

 

Man betritt kein Neuland bei der Fläche, wie im Antrag ausgeführt, aber die Abwägung war 2017 zu dem Ergebnis gekommen den Ausschluss zu beschließen. Ob dies unter dem Eindruck des Krieges in der Ukraine und dem Wunsch unabhängig von fossilen Brennstoffen zu sein aufrechterhalten werden soll, kann und muss hier nicht abschließend beraten werden. Den Eindruck zu erwecken, dass die Stadt Billerbeck in Sachen Windenergie bisher untätig war, verkennt jedoch die Tatsachen. Die neue Gesetzgebung richtet sich an die Planungsträger, welche bisher keinen nennenswerten Beitrag zu Erzeugung von Windenergie beigetragen haben. Dies ist in Billerbeck nicht der Fall. Zudem darf nicht verkannt werden, dass etliche Bürger sich auf die Konzentrationszonenplanung im Hinblick auf ihre eigenen Investitionen, z.B. beim Erwerb oder Errichten von Wohngebäuden, verlassen haben. Es ist davon auszugehen, dass dies ein wesentlicher zu beachtender Belang in der Abwägung sein wird. Entsprechende Schreiben sind bei der Verwaltung bereits eingegangen.

 

Im Weiteren kann die Prüfanfrage der Bürgeranregung heute nicht abschließend beantwortet werden, da die Bauleitplanung allgemein einem Prozess unterliegt, an deren Anfang nicht garantiert werden kann, was am Ende rauskommt. Im Hinblick auf Ergebnisse von Beteiligungsverfahren ist ein vorgreifender Beschluss nicht möglich. Insofern kann der Bürgeranregung nicht durch einen abschließenden Beschluss gefolgt werden. Sie kann nur, wie jede andere Planungsidee auch, in einen Beratungsprozess fließen. Zurzeit gibt es auch Planüberlegungen sowohl in Hamern, Lutum, Osthellen, Osthellermark und Langenhorst. Daher wird verwaltungsseitig vorgeschlagen auch die angeregte Fläche in den weiteren Beratungsprozess einfließen zu lassen.

 

i. A.

 

 

 

Michaela Besecke                                                          Marion Dirks

Fachbereichsleiterin                                      Bürgermeisterin

 


Bezug:            Sitzung des Rates vom 15.12.2022, TOP 15 ö.S., sowie Sitzung des Stadtentwicklungs- und Bauausschusses vom 29.11.2022, TOP 1 n.ö.S.

 

Höhe der tatsächl./voraussichtlichen Kosten:                                                                                                    -,-- €

 

Finanzierung durch Mittel bei der HHSt.:                                                                                                             

Über-/außerplanmäßige Ausgabe in Höhe von Euro:                                                                                       

Finanzierungs-/Deckungsvorschlag:                                                                                                                        


 


Anlagen:

Nur Ratsinfosystem:

Öffentlicher Teil

-        Schreiben von Herrn Rechtsanwalt Th. Tyczewski (Wolter Hoppenberg, Münster)

-        Bürgeranregung

Nicht öffentlicher Teil (zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte)

-        Foto der Familien der Antragsteller