hier: Repowering von zwei Anlagen in Temming
Sachverhalt:
Die Stadt
Billerbeck wurde durch den Kreis Coesfeld – Abteilung Umwelt – in einem
Verfahren nach Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) beteiligt und als
Standortkommune zur Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens aufgefordert.
Mit dem Antragseingang
am 14. März 2024 werden der Stadt Billerbeck zwei Monate Zeit zur Abgabe einer
Stellungnahme eingeräumt. Nach Eingang des Antrages verblieb nicht ausreichend
Zeit die Unterlagen zu sichten und bereits für den Bezirksausschuss am 19. März
vorzubereiten. Aus diesem Grund kann der Bezirksausschuss in diesem Fall nicht
zur Vorberatung hinzugezogen werden. Ein Sitzungslauf beginnend mit dem
Bezirksausschuss am 7. Mai würde erst zu einer Entscheidung des
Stadtentwicklungs- und Bauausschusses am 13. Juni führen.
Konkret geht es in
dem Antrag um zwei Windenergieanlagen des Typs Micon 1000/60, welche sich
derzeit noch im Besitz eines anderen Betreibers und auf dem Gebiet der Gemeinde
Altenberge befinden. Diese sollen durch einen örtlichen Bürgerwindpark
übernommen und durch zwei Nordex N 149/5,7 MW-Anlagen auf Billerbecker
Stadtgebiet ersetzt werden.
Mit einer
Nabenhöhe von 164 m und einem Rotordurchmesser von 149,1 m ergibt sich eine
Gesamtanlagenhöhe von jeweils 238,5 m. Die Anlagen sind an folgenden Standorten
geplant (siehe auch Anlage 1):
- Windenergieanlage
T1: Gemarkung Beerlage, Flur 12, Flurstück 140 (E: 32 391 976 587, N: 5 765
415 104)
- Windenergieanlage
T2: Gemarkung Beerlage, Flur 11, Flurstück 17 (E: 32
391 824 591, N: 5 765 705 745)
Die beiden neu
geplanten Anlagen erfüllen damit die Voraussetzung zum Repowering nach § 16b
Abs. 2. S. 2 Nr. 2 BImSchG, da sie mit ca. 300 m Abstand zu den nächstgelegenen
Altanlagen den maximalen Abstand zwischen einer Bestandsanlage und einer neuen
Anlage von höchstens dem Zweifachen der Gesamthöhe der neuen Anlage nicht
überschreiten.
Jedoch sind die
beiden Anlagen jeweils ca. 50 m außerhalb der Konzentrationszone „Steinfurter
Aa“ geplant, welche mit der 35. Änderung des Flächennutzungsplanes ausgewiesen
wurde. Der Abstand der geplanten Anlagen beträgt darüber hinaus weniger als die
zweifache Gesamthöhe der jeweiligen Anlage zu zwei Wohnnutzungen im
Außenbereich (412 und 445 m). Es stellt sich daher die Frage der
planungsrechtlichen Zulässigkeit nach § 245e Abs. 3 (Planungsrechtliche
Privilegierung) und § 249 Abs. 10 (optisch bedrängende Wirkung) Baugesetzbuch
(BauGB).
Repowering-Vorhaben
sind von der Regelausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB nicht betroffen,
solange die Grundzüge der Planung nicht berührt werden. Ausgeschlossen von
dieser Regelung sind Vorhaben in einem NATURA 2000-Gebiet oder einem
Naturschutzgebiet, was jedoch beides nicht der Fall ist.
Ein Berühren der
Grundzüge der Planung liegt vor, wenn die planerische Festlegung, der das
Vorhaben widerspricht, zu den Grundzügen der Planung gehört und die Schwelle
des Berührens überschritten ist. Letzteres beurteilt sich danach, ob der
Widerspruch zur planerischen Festlegung mit dem tatsächlichen oder
hypothetischen Willen des Plangebers vereinbar ist. Wird nur von den
planerischen Festlegungen, die die planerische Ausschlusswirkung im Sinne des §
35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erzeugen, abgewichen, genügt dies für die Annahme des
Berührens alleine nicht.
Das planerische
Konzept muss durch einen weiteren, anderen Grund berührt sein, indem von einer
anderen tragenden Festlegung so abgewichen wird, dass die Schwelle des
Berührens überschritten wird.
Im vorliegenden
Fall wird den Darstellungen des Flächennutzungsplanes insofern widersprochen,
als dass die zwei geplanten Repowering-Anlagen außerhalb der Konzentrationszone
„Steinfurter Aa“ liegen. In Folge eines Mindestabstandes von 450 m zu
Wohnnutzungen im Außenbereich liegen die geplanten Anlagen daher in einer
weichen Tabuzone.
Schutzzonen um
Wohnnutzungen wurden gebildet, um die störende oder gar schädliche Auswirkung
von Faktoren wie Schall, Schattenwurf und einer optisch bedrängenden Wirkung
auf die bestehende Wohnbevölkerung weitestgehend auszuschließen. In Bezug auf
Schallimmissionen und den Schattenwurf sind dem Antrag entsprechende Gutachten
angehängt (siehe Anlage).
Im Hinblick auf
eine mögliche bedrängende Wirkung ist festzuhalten, dass diese nicht durch ein
Gutachten thematisiert ist und eine bedrängende Wirkung gem. § 249 Abs. 10 BauGB
den Vorhaben theoretisch entgegenstehen könnte, da der Abstand von der Mitte
des Mastfußes der WEA bis zur Wohnnutzung in den zwei oben genannten Fällen
nicht mindestens der zweifachen Höhe der WEA entspricht. Gleichzeitig wird
nicht festgehalten, dass bei der Unterschreitung des Abstandes automatisch eine
optische Bedrängungswirkung anzunehmen ist.
In beiden Fällen
liegen Erklärungen der betroffenen Wohnbevölkerung vor, wonach sich mit den
Planungen einverstanden erklärt wird.
Eine optisch
bedrängende Wirkung wird daher von der Genehmigungsbehörde in Form einer
Einzelfallprüfung zu prüfen sein. Durch die Bedeutung von Windenergieanlagen
als gem. § 2 S. 2 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) im überragenden
öffentlichen Interesse liegend, ist es offen, ob solch eine Einzelfallprüfung
unter diesen Umständen zu einem negativen Ergebnis kommen kann, insbesondere
unter dem Eindruck der vorliegenden Einverständniserklärungen.
Bezüglich der
planerischen Festsetzungen der 35. Änderung des Flächennutzungsplanes muss
beachtet werden, dass auch die Rechtsprechung einem ständigen Wandel unterliegt
und Festsetzungen seinerzeit auf Rechtsprechungen gestützt wurden, die so heute
nicht mehr vertreten wird. So hat sich die allgemein vorherrschende
Abstandsregelung in der Zwischenzeit von einer dreifachen Anlagenhöhe zu
Wohnnutzung im Außenbereich wie oben dargestellt unterdessen auf die zweifache
Anlagenhöhe verringert.
Festgehalten
werden kann daher aus Sicht der Verwaltung, dass weder den Grundzügen der
Konzentrationszonenplanung durch die vorliegende Anlagenplanung widersprochen
wird, noch das zwangsläufig von einer unerwünschten optisch bedrängenden
Wirkung der Anlagen auf umliegende Wohnnutzung ausgegangen werden muss.
Verwaltungsseitig wird empfohlen, das gemeindliche Einvernehmen zu erteilen, da neben den
beiden erläuterten Sachverhalten keine weiteren Faktoren gegen die Durchführung
der Maßnahmen sprechen und die Planung daher mit der städtischen
Konzentrationszonenplanung vereinbar ist.
i. A. i.
A.
Tobias Mader Michaela Besecke Marion
Dirks
Sachbearbeiter Fachbereichsleiterin Bürgermeisterin
Anlagen:
(nur im Ratsinfosystem)
- Lageplan
- Schallimmissionsprognose
- Schattenwurfprognose